Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters – Tilmann Rammstedt

K800_bankberaterDumont 2012 , 156 Seiten.

>> Bruce Willis,  Los Ängeles – Cool Street 66 -12 of abril 2014

Dear Mister Tilman Rammstedt:
sorry that I answer you so late finally and ultimatly.

First I cannot read and speak german.
And second yours emails were too much, too often and sometimes too long. I don’t like emails and I  don’t like to play in your book as a bank-adviser. And what for a bankadviser. Every day he says another common place. The german language seems to be a sea of common places. No, no, my  films are enough for me. Shit happens, also in literature, but not with me. Yes, I always hoped that the best will come as you write, but in your book it doesn’t come. Only the good come but not the best. I think there is too much glasspearlsplay, reflection about roman theory and writing („nouveau roman“?). With the poor dog I have much empaty.
In the page 118 you write „ Bring we it after us“, oh yes, thats what I think too this morning. Surely, the book is singular and perhaps you are a pioneer.

I wish you the best and say you bybye
Bruce Willis

Note: 2/3 (ax)<<

 

>>Von Denis Scheck empfohlen,  war die Erwartung groß. Und tatsächlich entwickelt Rammstedt einen in der Form wohl einmaligen E-Mail Roman, in dem er eine abenteuerliche Geschichte , wie er sie seinem „ehemaligen Bankberater“ gerne angedichtet hätte, komplett in E-Mails an Bruce Willis entwickelt, die natürlich sämtlich unbeantwortet bleiben. Bruce Willis soll in seinem Roman, der ins Stocken geraten ist, die „ Rolle“ des Bankberaters übernehmen. In einer Unzahl von E-Mails berichtet Rammstedt Bruce Willis, was der Roman mit ihm und seiner Rolle vorhat und, besonders raffiniert, auch was er alles nicht macht, weil der seine Rolle nicht richtig annehmen will. So spielt Rammstedt mit den verschiedensten Ebenen der Fiktion und der Fiktion in der Fiktion. Das ist kunstvoll und witzig gemacht. Richtig großes Kino ist die Fluchtgeschichte mit dem toten Hund.
Allerdings kommt die Geschichte nur sehr langsam in Fahrt und die alternierend zu den E-Mails eingeflochtenen Miniaturen über den schrägen bis weltentrückten Bankberater geraten nach meinem Geschmack rasch zu eindimensional und durchschaubar, zeigen keinerlei Entwicklung und enttäuschen deshalb zunehmend. Note: 2 (ün)<<

>> Wer hätte mit literarischer Innovation gerechnet in einer inflationären Zeit, in der alle schriftstellerischen Patente schon angemeldet schienen. Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters ist die Neuerfindung des Briefromans, der seine Innovationshöhe einem intelligenten Flechtwerk verschiedener Komponenten verdankt. Fiktion und Wirklichkeit, Buchverlauf und realer Alltag, Autor und Kunstfiguren, Vorwärtserzählung und negierende Rückwärtsstränge fließen ineinander. Überraschungs-momente sind garantiert.
Grundmotiv des Romans ist der schriftstellerische Zweikampf: Autor ringt mit seiner unvollendeten Geschichte, die nicht reifen will. Rammstedt setzt sich selbst ins Bild, zitiert seinen Verleger, wiederholt den Druck, ein gutes Ende finden zu müssen. Die vermeintliche Hauptfigur ist sein entrückter Bankberater, der ehemalig bleibt, weil er die Geschichte nicht voranbringt. Stilistisch beschränkt Rammstedt den herrlich bizarren Bankberater auf anekdotische Zellkastennotizen und nutzt diese Lücke, einen Ersatzmann aufzurufen, der zum imaginären Hauptdarsteller avanciert: den Schauspieler Bruce Willis. In einem bis zum Buchende sich hinziehenden Emailmonolog drängt Rammstedt Willis zum Mitwirken in der hängengebliebenen Buchgeschichte. Obwohl die Emails durchweg unbeantwortet bleiben, entwickeln sie eine dialogähnliche Vitalität und werden selbst zum Handlungsgerüst. Der Bankberater habe zunächst erfolgreich durch einen Überfall auf die eigene Bank aus seiner verengten Büro- und Lebenswelt ausbrechen können, sei dann aber mitten in der Schalterhalle stecken geblieben. Die Situation überfordere ihn, so dass es für die anstehende Fluchtszene den Actiondarsteller Willis brauche. Was folgt sind 75 Emails unterbrochen von ebenso vielen Notizen zum Wesen des Bankberaters. Rammstedt inszeniert ein fliegendes Wechselspiel, in dem er selbst sowohl als realer Autor wie auch als Romanfigur auftritt. Die angebliche Teilnahmslosigkeit von Willis lasse Rammstedt keine andere Wahl, als selbst den zähen Geschichtsverlauf voranzutreiben. Rammstedt flüchtet mit dem angeschossenen Willis via gestohlenem Fahrrad ins Unterholz, wird von einer Polizeistaffel aufgespürt, verbeißt sich aus Verzweiflung in einen Polizeihund bis das arme Tier im Kugelhagel niedergestreckt wird. Die beiden Männer retten sich in den öffentlichen Nahverkehr. Dass der tote Hund aus Mitgefühl stets mitgeschleppt wird, verleiht den Szenen das für Rammstedt typische Groteske. Da der Autor jedoch mit dem Geschichtsverlauf unzufrieden ist, wird der Banküberfall rückwirkend neu gestaltet: keine Flucht sondern sofortige Verhaftung des Bankberaters. An dieser Stelle erhöht Rammstedt den Grad der Verschachtelung, indem er den alten und neuen Erzählstrang miteinander verbindet – obwohl der erstere eigentlich gestrichen wurde. Dies erlaubt erzähltechnisch beiden Gestalten auf einer Verkehrsinsel beginnend den Bankberater mit nackten Händen aus dem Gefängnis frei zu graben. Für das Finale bedient sich der Autor eines weiteren Kunstgriffs, indem er diesen Abschnitt als Vorwurf, was alles nicht geschehen sei, durchweg negierend formuliert. Das Überraschende dieser surrealistisch anmutenden Szene ist, dass die Aussagen wie Tatsachen wirken, obwohl und gerade weil sie durchgehend verneint werden. Die Konstruktion ist schlicht, die erzählerische Wirkung dennoch verblüffend.
In der Schlussepisode führt Rammstedt die Fiktion wieder an die Realität heran. Die Romanfigur Willis sieht er nach Kalifornien in das Eigenheim zurückkehren, in dem der reale Bruce Willis in seiner Küche just einen Kaffee aufgießt. Der wahre Willis ist so passgenau in seine Wirklichkeit eingefügt, dass nicht der kleinste Zwischenraum für den fiktiven Willis bleibt. Für den letzteren führt der Weg ins Gegenstandslose – seine Spur verliert sich an einer Straßengabelung.
Ist dies die Metapher für das Scheitern des Romanversuchs? Die Konstruktion hat die Verfolgung überstanden; allerdings hat der Plot Schaden genommen. Mühsam quält sich die immer wiederholte Aufforderung an Willis, den Roman proaktiv zu gestalten durch viel zu viele Emails. Ermüdend bleibt die monotone Darstellung der Autorennot, so dass trotz raffinierter Architektur das Werk nur bedingt lesenswert ist. Dennoch wird das Patent erteilt und bleibt offen für interessierte Lizenznehmer mit Blick auf Briefromane im dann vermutlich gehaltvolleren Format 2.2.bankberater_plot_diagramm Note: 2/3 (ur)<<

 

>> Auf Seite 153 angekommen, meinte mein ehemaliger Bankberater unvermittelt, es sei nun Zeit die Seiten zu wechseln. Er habe lange genug als Lieferant von Pointen hergehalten. Ich legte den Stift beiseite und sah zu wie sich der freie Wille auf seine Abenteuer begab. Kein Schwanz wedelte hinter dem Schalter, nicht einmal der von Hund und Katze. (844 S. des Romans fehlen) Note: 2/3  (ai) <<