Berlin Verlag 1998, 303 Seiten.
>>In 29 Kleinkapiteln bewegt sich eine Vielzahl von Hauptpersonen durch Alltagssituationen des ex-DDR-schon-fast-BRD-Seins der juvenilen Nachwendezeit. Paare bilden sich, Arbeitsplätze gehen verloren, Seitensprünge geschehen, Fische werden geangelt, Stasi-Vergangenheiten holen ein und alte Rechnungen werden beglichen. Jedes Kapitel hat einen anderen Ich-Erzähler. Im Laufe des Buches werden zunehmend komplexere Verflechtungen der zunächst isoliert betrachteten Personen deutlich. Der Vernetzungsgrad steigert sich ins Undurch-schaubare. Nur mit hartnäckiger Detektivarbeit kann der Leser zurückverfolgen, wer mit wem eine Busreise machte, Pornogeschichten wem anvertraute und wen in Zeiten der Macht beruflich liquidierte. Da zahlreiche Personen als Erzähler und Erzählte auftreten, böte sich Gelegenheit, literarisch Fremd- und Eigenbild kontrastreich miteinander in Beziehung zu setzen oder Charakterentwicklungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu verfolgen. Die übersteigerte Komplexität der Erzählstruktur macht dies jedoch fast unmöglich. Lesende verfangen sich zunehmend hoffnungsloser im Detailgeflecht je weiter sie im Werk voranschreiten.
Tenor der meisten Passagen ist die kleine und große Tragik nach der deutschen Wiedervereinigung. Es fehlen die strahlenden Sieger. Stattdessen ein Gruppenbild der Verlierer, denen nicht nur die Gesellschaftsveränderung sondern vor allem auch sie sich selbst im Wege stehen. Der direkte politische Bezug wird meist ausgeblendet. Andererseits blitzt Witz und Situationskomik auf. Neben viel Trivialem überraschen einzelne gelungene, feinsinnige Szenen wie jene, in der die Reporterin Danny den alleinstehenden Bertram entlarvt, der ihr eine angebliche Vergewaltigungsszene als Story aufbinden will. Vereinsamte Neudeutsche wie Bertram, geltungsbedürftig und verwirrt, eingeklemmt zwischen Realität und Fiktion. Oder Dieter Schubert, der beim Angeln wie seine Karpfen am Herzinfarkt verendet. Seine Frau überreicht danach nichts ahnend einer Schwesternschülerin einen verschlossenen Geldkuvert – für geleistete Perversionen mit Dieter. Wiederholt wird mit wenigen kryptischen Dialogfragmenten ein hohes Maß an Prosatiefe und Handlungstragik erreicht.
Leider gehen viele Akzente der einfachen Episoden im Netzwerk-Labyrinth verloren. Simple Storys – so simpel und falsch geschrieben wie das Leben eben ist. Für Ausdauernde ein Sudoko der Literatur. Note: 2/3 (ur)<<