Anleitung zum Unglücklichsein – Paul Watzlawik

dtv Sachbuch, 1983, 133 Seiten; ISBN 3-423-30367-0

 

            >>In kurzen Kapiteln zerlegt Watzlawick mit ironisch-populärwissenschaftlichem Instrumentarium der Kommunikationswissenschaften das verzwungene menschliche Gegeneinander. Die Anleitung zum Unglücklichsein ist seine Antwort auf die in den USA missionarische Festlegung auf das Glücklichsein. Zugleich ist Watzlawicks Anleitung auch ein Spiegel des programmatischen Unglücklichseins im deutschen Kulturkreis – ein Unglücklichsein, das genährt wird aus dem intellektuellen Verhaften an ganzjährigen November Depressionen, dem generalisierten Mangel an Zuversicht oder dem fehlenden Glaube an sich selbst. Entsprechend wird diese flüssige, mitunter amüsante Darstellung des österreichisch-amerikanischen Autors zu einer doppelten Reflexion für zwei Kulturhabitate mit überzogenem Selbstwertgefühl (USA) und lädierter Ich-Stärke (BRD).

Die Themenwahl wirkt zufällig und die Anordnung folgt keiner inneren Logik. Es ist die kleine Lebensschule zwischen Nachtisch und Espresso, Digestivhäppchen verschiedener Geschmacksrichtungen, die der entspannte Leser in kleinen Dosen zu sich nehmen kann.

Die Vergangenheit als Quelle des Unglücks nutzen. Watzlawick macht vier Varianten aus. 1) Durch die Konzentration auf die Vergangenheit lässt sich erfolgreich die Gegenwart verpassen. 2) Aus der Vergangenheit nicht wie üblich das Gute, sondern nur das Schlechte erinnern, treu dem Motto „die Jugend ist verronnen.“ 3) Unglücke der Vergangenheit lassen sich durchaus in der Gegenwart fortsetzen. 4) An ehemals richtige Lösungen sollte man sich klammern, auch wenn sie nicht mehr in die Zeit passen. Die Devise lautet also: mehr desselben.

Negative Projektion. Eine verfeindete Umwelt kann stets vermutet werden. Statt den Nachbarn zu fragen, ob er ein Werkzeug ausleihen würde, sollte man ihn gleich mit dem Vorwurf konfrontieren, dass er es ohnehin nicht ausleihen würde. Die Begrüßung wird ihn zwar verwundern, garantiert aber die Ablehnung. Um vermeintliche Problemlösungen ist der Autor nicht verlegen, etwa durch die Taktik der Rückwendung der unspezifischen Besonderheit. Die Ehegattin fragt: Wo hast du es hingetan? Der Gatte antwortet: Zu den anderen. Durch die inhaltlose Antwort auf eine inhaltlose Frage könnte angeblich die Konfrontation aufgehoben werden.

Im Weiteren schlägt Watzlawick praktische Übungen zur negativen Autosuggestion vor: einen Tinnitus hören, wo keiner ist, Ampeln immer rot wahrnehmen oder sich entspannt hinsetzen um endlich den Druckschmerz der bequemen Schuhe wahrzunehmen. Mit beständiger Hartnäckigkeit ist ein niederschmetternder Erfolg gewiss. Weiter sollte der Leser alle Übungen zunächst nur in sich gekehrt durchführen. Erst mit Erlangen einer negativen Grundsicherheit sollte die Übertragung auf externe Situation erfolgen. Hierbei dürfen die kausalen Zusammenhänge keinesfalls hinterfragt werden, weil sich der Proband andernfalls als hysterisch entlarvt. Ziel muss es sein, Konfliktsituationen zu erschaffen ohne noch wahrzunehmen, dass es die eigenen sind.

Probleme verewigen. Für einen anhaltenden Erfolg der Autosuggestion müssen Probleme verewigt werden. Technisch lässt sich dies einfach durch Wiederholungen oder Rituale umsetzen. Ein eindrucksvolles Beispiel ist, dass permanentes Klatschen Elefanten fernhält – deshalb seien auch nie welche da.

Ziele meiden. Ein weiterer Kunstgriff ist die Zielvermeidung. Man sollte nie ankommen – nur unterwegs sein. Übrigens ein Prinzip, das schon im anderen Kontext von Laotse und Kollegen angedacht wurde. Das Ankommen oder das Ziel könnte ohnehin eine Enttäuschung sein. Außerdem hütet man sich vor fremden Ansprüchen – etwa dass man etwas erreichen müsste. In diesem Zusammenhang sind die Auf-morgen-Vertager und Utopia-nirgendwo-Anhänger ihrer Zeit voraus.

Problemmechanismen. Probleme können natürlich auch durch beständigen Pessimismus, Vermischung von Objekt- und Beziehungsebene und die Illusion der Alternativen erreicht werden „Kannst du dies oder das für mich tun?“ „Ich tu dies.“ „Warum tust du nicht das?“ Es bleibt keine Alternative. Erfahrene werden zudem jeder Freude ein beliebiges Leid hinzufügen.

Unglückliche Kooperation. Bösartiger Pessimismus erlaubt überall negative Interpretationen: er hilft sein Gewissen zu beruhigen, nicht weil er helfen will. Die symbiotische Ko-Illusion (Kollusion) ist ebenso ein lohnendes Unglücklichkeitsziel –: einer hilft, der andere gibt sich schwach, damit der erstere helfen kann – und beide wollen nicht wirklich das, was sie tun.

Der Laing Knoten. Und dann ist da noch die Selbstverneinung mit Disqualifizierung der Mitmenschen als ein besonders wirkungsvoller Ansatz für eine dunkelschwarze Weltsicht. Schritt 1: Ich liebe mich nicht. Schritt 2: wer mich liebt, muss verkehrt sein.

Aufruf zum solidarischen Miteinander. Am Ende seiner Ausflüge wendet Watzlawick den Blickwinkel und empfiehlt einen mathematischen Ansatz für die menschliche Psychologie. Das Leben sollte als Nicht-Nullsummenspiel aufgefasst werden. Das Grundmotiv der Menschen sollte gemeinsames Gewinnen und nicht einer gewinnt nur dadurch, dass ein anderer verliert. Entsprechend endet sein Epilog mit Dostojewski: „Alles ist gut.“ Der Mensch ist gut. Das allein anzunehmen, bewirkt Vertrauen und Toleranz. Die Folge ist Glück. Eine klare Anweisung zum Glücklichsein.  Note:  2/3 (ur) <<