Tag und Nacht und auch im Sommer – Frank McCourt

Luchterhand 2005 – 331 Seiten

            Nach dem Weltbestseller Die Asche meiner Mutter nun eine beruflich-psychologische Aufarbeitung. In einem autobiographischen Kurs führt FMcC durch seine pädagogisch geprägten Lebensabschnitte. Der Autor spricht als fühlender Lehrer von mehr als 10.000 SchülerInnen in über 30 Jahren: Tag und Nacht und auch im Sommer. Von den Abgründen und Selbstzweifeln, den Fronten mit der vorgesetzten Bürokratie, unorthodoxen Lehransätzen, der Begeisterung gerade selbst das zu sein, was er ist und dem Glanz in den Augen zugewandter junger Menschen. Eine Prosa mit lebendigem Humor, überzeugender Empathie und berührender Privatheit.

            In den USA als Sohn verarmter, irischer Einwanderer geboren, kehrt die Familie von den amerikanischen Lebensumständen enttäuscht, nach Irland zurück. Die Mutter zieht die Kinder alleine groß, bis FMcC als Halbwüchsiger erneut nach New York aufbricht. Die Erwartung, dort doch ein zuträglicheres Leben zu finden, ist ungebrochen. In den harten, prägenden Jahren als Hafenarbeiter und Küchenjunge reift der unbestimmte Wunsch, Lehrer zu werden. Der erste Versuch einer Lehrtätigkeit als irischer Küchenjunge ist, kubanischen Leidensgenossen die Vokabeln der Küchengeräte beizubringen. Dann der Eintritt in die Armee. Der Wehrsold ermöglicht das Lehrerstudium. Mit Mühe quält er sich durch die Prüfungen, schafft mit mäßigem Erfolg den Abschluss und verliert wiederholt den Kopf in Weibergeschichten. So narrt ihn eine ganze Zeit die attraktive June. June teilt das Bett mit ihm, leider aber auch mit dem gemeinsamen Pädagogik-Professor, mit dem sie das Unikum FMcC interessiert analysiert.

            Dauerhafter Begleiter aller Bemühungen sind die nagenden Selbstzweifel. Ire zu sein, ist ein Makel. Pöbelhaftes Wesen, Dummheit, Trunk- und Streitsucht sind verbreitete Urteile. Entsprechend schwer fällt es, eine erste Anstellung zu finden. Auf dem Kampffeld High School greift FMcC intuitiv zu unorthodoxen Mitteln. Ein nach ihm geworfenes Pausenbrot isst er kurzerhand auf. Den lästernden Schülerbemerkungen über irische Sexualität begegnet er mit dem ironischen Verweis auf die in Irland angeblich vorherrschende Sodomie. Die Schüler sind geplättet, der Rektor alarmiert. Die Elternschaft ruft nach Sanktionen. Die Motivation der Randgruppenkinder bleibt dennoch schwer zu entfachen, sein Fach Englisch ist für den Nachwuchs ein nicht enden wollendes Ärgernis. Wie seine Kollegen notieren, verfällt FMcC dem Kardinalfehler, sein Privatleben zum Unterrichtsthema zu machen. Auch wenn es den Schülern auf diese Weise gelingt, den Unterricht auszuhebeln, gewinnt FMcC vereinzelt Schülervertrauen. Dennoch bleiben die ersten zwei Pädagogenjahrzehnte mühsam. Konflikte mit den Vorgesetzten und die wiederkehrende Not, Autoritäten über sich zu dulden, führen zu einem Vagabundendasein zwischen zahlreichen Schulen. Ein `Wanderpokal`, den keiner will. In einer zweijährigen Auszeit erhofft der Ausgelaugte sein Leben neu ausrichten zu können. Zurück in Irland betritt er den umstrittenen Boden des elitären Trinity College. Trinity College – seit Jahrhunderten der Inbegriff protestantischer Machtausübung über notleidende Katholiken wie FMcC. Der Doktorand verliert sich schnell auf akademischen Abwegen, in allzu vielen Trinkgelagen und zwischen bedürftigen Weiberschenkeln. Es bleibt nur die Rückkehr nach New York, wo bald darauf seine Tochter zur Welt kommt. Die Ehe überdauert jedoch wie so vieles in seinem Leben nur kurze Zeit.

            Eine Lebenswende beginnt erst mit dem Einstieg in die Stuyvesant High School, ein Urquell für zahlreiche spätere Nobelpreisträger. Man lässt ihm Spielraum. Gerade genug um aus diesem widerspenstigen Charakter ein Höchstmaß an Kreativität freizusetzen. Als Lehrer für Creative Writing lässt er zur Begeisterung seiner Schüler Kochrezepte vertont rezitieren und Restaurant-Reportagen formulieren. Ebenso werden die einfallsreichsten Entschuldigungsschreiben belohnt. Während er früher ein Schuljahr als erfolgreich empfand, wenn es wenigstens gelang, das Wort Kauderwelsch verständlich zu machen, wird er jetzt Jahr für Jahr mit einem begeisterungsfähigen Publikum belohnt.

            Auf verträgliche Art kokettiert FMcC mit seiner letztendlichen Beliebtheit. Nach all dem detailliert dargelegten Alltagsleid der frühen Jahre sympathisiert der Leser mit dem Sisyphos-Aktivisten. Dies besonders, da er mit dem Motto „mea culpa“ im irischen Katholizismus großgezogen wurde. „Ich bin schuldig“ ist was die Seele kränkt, die Reifung unterbindet und das Unglück perpetuiert. FMcC hat diesen Schuldkomplex durch eine besonders lebenszugewandte Art entkräftet. Letztlich mit umwerfendem Erfolg.

Für Lehrer ein Buch aus ihrem Herzen. Für Nicht-Lehrer ein Reigen zeitweise wiederkehrender Anekdoten aus einem kräftezehrenden Schulalltag, in dem der biographische Lauf des Autors zu ertrinken drohte. Bekömmliche Kost auch für literarische Diabetiker, humorvoll gewürzt.  Note:    2 (ur)