Traumnovelle – Arthur Schnitzler

traumnovelleS. Fischer, 88 Seiten.

 >> Fridolin und Albertine leben in Wien nach dem Untergang der Donaumonarchie. Das ist lange her und trotzdem könnte man sie ein modernes Paar bezeichnen. Ein Paar, das dicht kommuniziert, das sich über die geheimsten Wünsche und  Abgründe austauschen möchte und sich dabei überfordert. Eigentlich nicht erstaunlich. Auf die  Frage, ob sich Eheleute alles erzählen sollten, gibt es sicherlich keine allgemeingültige Antwort.
Wer die Kränkungen und Verletzungen, die bei diesen  Gesprächen entstehen können, aushalten kann, nur zu. Fridolin und Albertine schaffen es nur mit Mühe, sich gegenseitig zu Therapeuten zu machen. Misstrauen und Eifersucht verzerren die Wahrnehmung und Fridolin meint von seiner Frau: „Sie ist die Schlimmste von allen.“ Damit liegt er ziemlich daneben. Eros und Tod sind die roten Fäden, die sich durch die Novelle ziehen. Viel Erotisches, aber es „passiert“ nie was. Und viel Symbolisches, Freud lässt grüßen.
Aber alles wird gut und auf der letzten Seite beginnt ein neuer Tag mit einem „sieghaften Lichtstrahl durch den Vorhangspalt und einem hellen Kinderlachen.“
Das ist schön. Note: 2/3 (ax) <<

>>    Was ist Traum, was Wirklichkeit? „Kein Traum ist völlig Traum“, seufzt Fridolin am Ende. „Und keine Wirklichkeit ist völlig Wirklichkeit“ ergänzt Arthur Schnitzler in einem Brief an seinen Verleger S. Fischer, in dem es auch um den Titel der Novelle geht und in dem Schnitzler auf „Traumnovelle“ besteht. Selten ist die Dialektik von Traum und Wirklichkeit treffender und spannender literarisch verarbeitet worden als in diesem schmalen Bändchen von gerade mal 88 Seiten. Eine Fundgrube für die fast zeitgleich entstandene Psychoanalyse Freuds. Der Titel “Eyes wide shut“, den Kubricks Verfilmung der Novelle  aus dem Jahre 1999trägt,  führt glänzend in die Paradoxie der Thematik ein. Hat man den Film gesehen, bevor man die Novelle gelesen hat, fällt es schwer, sich von den Bildern  des Films und von Tom Cruise und Nicole Kidman zu lösen.

Frido und Albertine geraten nach dem Besuch eines Maskenballes in ein Gespräch, das in einem leichten Geplauder beginnt und zunehmend ernsteren Charakter bekommt und in dem es um verborgene Wünsche und Sehnsüchte geht.  Albertine erzählt Frido von einer Begegnung mit einem jungen Mann im letzten Sommer, den beide in Dänemark verbrachten. Dass es beim Austausch von Blicken blieb, macht es für Frido nicht leichter, gesteht Albertine ihm doch, dass sie sich dem Unbekannten, wenn er sie nur gerufen hätte, sofort hingegeben hätte. Frido wirft das offensichtlich ziemlich aus der Bahn, gleichwohl erzählt auch er Albertine von einer Begegnung mit einem 16 -jährigen Mädchen am Strand, dessen Blick ihn völlig in Erregung versetzt hatte.

Bei dem was nun folgt, bleibt letztlich unklar, ob es sich so abgespielt hat oder ob es sich nicht mit Träumen oder Phantasien vermischt hat. Noch  in der gleichen Nacht wird Frido zu einem  Hofrat gerufen, der im Sterben liegt. Dessen Tochter Marianne gesteht ihm seine Liebe. Frido macht keine Anstalten, wieder nach Hause zu gehen, sondern streift ziellos durch die Nacht, geht mit der Dirne „Mizzi“  auf deren Zimmer, bleibt aber passiv. In einem Kaffeehaus trifft er auf seinen alten Kumpel Nachtigall, der auf geheimnisvollen Maskenbällen mit verbundenen Augen Klavier spielt. Frido ist elektrisiert und will unbedingt mit. Er besorgt sich in der Nacht noch beim Kostümverleih eine  Mönchskutte und eine Maske. Um eingelassen zu werden, muss eine „Parole“ genannt werden, die Frido von Nachtigall erfahren hat. Sie lautet „Dänemark“! Ein zarter, aber deutlicher  Hinweis darauf, dass es sich hier um Traumsequenzen handeln könnte, ist  der Begriff „Dänemark“ für Frido doch traumatisch besetzt. Bei der Maskengesellschaft handelt es sich um eine logenhafte, verschworene Gemeinschaft von Männern und Frauen, die rituelle Orgien feiern. Frido wird von einer geheimnisvollen Frau gewarnt, in die er sich sofort bedingungslos verliebt. Als er als Eindringling entdeckt wird, will sich diese für ihn opfern, was in diesen Kreisen bedeutet, sich allen Anwesenden hinzugeben. Frido kann durch dieses Opfer dem sicheren Tod entkommen und wird durch einen Kutscher in einer alptraumhaften Fahrt nach Hause gebracht. Er ist sich selbst nicht mehr sicher, ob das Erlebte nicht nur Delirien waren. Als er um 4 Uhr ins Schlafzimmer zu Albertine kommt, wacht diese etwas verwirrt aus einem Traum auf. Frido drängt sie, von ihrem Traum zu erzählen.

In Albertines Traum ging es um den Vorabend ihrer Hochzeit. Auf einer Lichtung im Wald lieben sie sich. Als sie wieder zurückwollen, sind ihre Kleider fort. Als Frido losgeht, um die Kleider zu suchen, fühlt sich Albertine ganz leicht und frei. Ein junger Mann tritt auf – er sieht aus wie jener Däne- , kommt aus dem Wald und verschwindet wieder, das wiederholt sich unzählige Mal. Analytisch deutbar als Bild für den folgenden Geschlechtsakt, der sich nun plötzlich tausendfach auf der Wiese abspielt und bei dem Albertine nicht mehr richtig erinnert, ob sie nur dem einen oder allen tausend gehört hat und dies alles voller Gelöstheit, Freiheit und Glück. Gleichzeitig wird Frido gefangen und wartet gefesselt seine Hinrichtung. Die Fürstin des Landes erscheint und will ihn begnadigen, wenn er ihr Geliebter würde. Frido lehnt ab und wird gefoltert. Albertine ist ohne Mitleid und lacht ihn aus, ob seiner Treue. Soweit Albertines Traum.

Frido ist wieder zutiefst geschockt. Er will Rache nehmen an Albertine, die sich im Traum als treulos, verräterisch und grausam entpuppt hat. Er nimmt sich vor, alle Erlebnisse zu Ende zu leben und sie ihr als Vergeltung getreulich zu berichten. Am nächsten Morgen macht er sich mit seiner Arzttasche auf zur Arbeit. Seine Mönchskutte gibt er zurück. Dabei  muss er feststellen, dass der Kostümverleiher, auf dessen Tochter er ein Auge geworfen hatte, für  eben diese Tochter als Zuhälter  fungiert. Frido ist fertig mit den Frauen und hält seine eigene für die allerschlimmste. Er will sich von ihr trennen. Oder zumindest ein Doppelleben führen. Er sucht Marianne auf, um sein Rachewerk zu vollenden. Doch  bleibt seltsamerweise  ihr gegenüber sehr kühl und es passiert nichts zwischen ihnen. Dann will er Mizzi besuchen, doch sie ist nicht da, sondern liegt im Krankenhaus. In einem Café liest er in der Zeitung vom Selbstmord einer Baronin D. Er denkt sofort an seine Retterin, kann dank guter Beziehungen die Leiche in der Anatomie sehen. Ob sie`s tatsächlich war, ist nicht zu klären.
Der ganze Abend eine Kette von verpassten Gelegenheiten, wie in manchem Traum.

Zu Hause  trifft er Albertine schlafend an und neben ihr, auf seinem Kopfkissen die Maske, die er- so seine Erklärung –  wohl doch am Morgen verloren haben musste. Er deutet dies als Zeichen des Verständnisse oder Verzeihens seitens Albertine. Er fängt an zu schluchzen und Albertine wacht auf. Er erzählt ihr alles. „Nun sind wir wohl erwacht, für lange“. Note: 1/2 (ün)<<

>> „Kein Traum ist völlig Traum“, diese Erkenntnis des Protagonisten Fridolin gegenüber seiner Albertine am Ende der Novelle spiegelt das eigentliche Gefährdungspotential dieser nach außen glücklichen Ehe. Dabei nimmt das Verhängnis anfangs nicht durch die Offenbarung von Träumen, sondern  durch das gegenseitige Geständnis unerfüllter Urlaubserlebnisse in Dänemark  seinen Lauf. Unerfüllte Möglichkeiten legen verschüttete Begierden („jene verborgenen kaum geahnten Wünsche“) offen, Unbewusstes bricht ins Bewusstsein ein und so drohen sich zwei zu verlieren. Vorweggenommen wird das Spiel des Sich-verlierens aber auch des Sich-findens bereits in dem Redoute-Erlebnis, einem für beide „enttäuschend banalen Maskenspiel“, das sich aber im Verlauf der Novelle zu einer fast selbstzerstörerischen Maskerade ausweiten sollte. Fridolin , durch Albertines Dänemarkgeständnis völlig aus der Bahn geworfen, begibt sich auf eine bizarre Nachtreise durch Wien. Die erotisch aufgeladene Marianne Episode, Mizzi Episode, Pierette-Episode und der orgiastische Höhepunkt in jener Wiener Vorstadtvilla, zu der sich Fridolin mit der „Dänemark-Parole“ (!) Zugang verschafft, bleiben bei ihm alle zugleich Stimuli von Lustverlangen und Triebverzicht. Fridolins zweite Identität in Mönchskutte, Larve und Pilgerhut verschafft ihm neben dem Augenschmaus auf weibliche Nacktheit unter Spitzenlarven zwar für einen Augenblick „eine fast unerträgliche Qual der Verlangens“, aber ihm bleibt, als Eindringling entlarvt, die Lustbefriedigung jener gutbürgerlichen und adeligen Kreise, die es im Wien der 20er Jahr im Maskenkostüm fast geheimbündlerisch verschwörend gehörig krachen lässt, verwehrt. Stattdessen führt sein Auftritt zu einem reichlich skurilen Opfergang einer schwarzgelockten sich entkleidenden Nonne, die ihren Tod in Kauf nimmt um Fridolin ungeschoren auszulösen. Für Eros-Thanatos Exegeten vielleicht eine Fundgrube, nicht für mich. Fridolins reale Nachterlebnisse finden eine  fast zeitgleiche Entsprechung in Albertines wirklichskeitsnahem Traum, den sie dem morgens gegen vier zurückkehrenden Ehemann auf dessen Drängen eröffnet. Am Tag vor ihrer Hochzeit erlebt  Albertine in einer lieblichen Waldlichtung eine Verführungsszene durch einen dem „Dänen“ nicht unähnlichen unbekannten Jüngling, die merkwürdige Parallelen mit dem Treiben in jener Wienervorstadtvilla aufweist. Ob sie auf dieser Wiese allein „ ob außer mir noch drei oder zehn oder hundert Paare da waren….ob ich nur jenem einen oder auch anderen gehörte, ich könnte es nicht sagen“, wohl aber ist sich Albertine gewiss, statt Entsetzen und Scham ein Gefühl der Gelöstheit, der Freiheit, des Glücks empfunden zu haben. Im 2. Teil des Traums erscheint Fridolin nackt als gefesselter Jüngling. Die Landesfürstin mit Diadem und Purpurmantel verliest ein nicht begründetes Todesurteil (vgl. Eros –Thanatos-Komplex). Unter der Bedingung, dass Fridolin ihr Geliebter werde, sei sie bereit die Vollstreckung auszusetzen. Als Fridolin in ewiger Treue zu Albertine dies Angebot ablehnt, folgt eine Folterszene, in deren Verlauf die Prinzessin nicht nur die Züge jener Nonne aus der Wiener Vorstadtvilla annimmt (“Ihre Haare waren aufgelöst, flossen um ihren nackten Leib“) annimmt, sondern mit dem Bild des Mädchens vom dänischen Strande, jenem Urlaubsgeständnis Fridolins, verschwimmt.  Als Flugtraum endet das bizarre Treiben. Fridolin entschwindet als Gekreuzigter, das höhnische Lachen Albertines nicht wahrnehmend. Bleibt Fridolins reale Nachtflucht ohne Befriedigung, so findet Albertines heimliches Verlangen wenigstens im Traum ihre Erfüllung, was Fridolin – blind vor Eifersucht – zu dem Entschluss führt: „Vergeltung zu üben an jener Frau, die sich in ihrem Traum enthüllt hatte als die, die sie war, treulos, grausam und verräterisch, und die er in diesem Augenblick tiefer zu hassen glaubt, als er sie jemals geliebt hatte“. Dass sich zum Abschluss dieser Szene neben der einschlummernden Albertine bei Fridolin das Bild einstellt „Ein Schwert zwischen uns“, ist für Freudianer sicherlich schlüssig: Phallisches und Zerstörerisches sind untrennbar.

Fridolins „Rachewerk“, sein heimlicher  Wunsch ein „Doppelleben zu führen“, der brave Gatte und Familienvater sollte sich zuweilen in den Wüstling verwandeln, scheitert kläglich. Seine Nachtspuren   am nächsten Tag wieder aufnehmend führen ihn erneut zu Marianne. Ein förmlicher Abschied, statt Lust Kältestrom, dann zu Mizzi, wo er erfährt, dass diese syphiliskrank im Spital liege und er „einer großen Gefahr entgangen ist“. Einem Journal beim  abendlichen Cafebesuch entnimmt Fridolin die Meldung, dass eine auffallend hübsche Dame („Baronin D.“) in einem vornehmen Hotel vergiftet aufgefunden wurde (Selbstmord?), was ihn trotz Warnungen die Nachforschungen zu jener sich für ihn aufopfernden „wunderbaren Frau von heute Nacht“ wieder aufnehmen lässt.  An die Stelle der Wiener Lustvilla tritt jetzt, das pathologisch-anatomische Institut eines Doktor Adlers, in dessen Saal dem Doktorkollegen Fridolin ein „Frauenleib fahl entgegenleuchtete“. Mögen auch noch so viele dunkle Haarsträhnen auf den Boden herabgefallen sein (vgl. maskierte Nonne), das „Liebesspiel“ Fridolins mit den Fingern der Toten, ihre Identität bleibt offen, gerät unter den irritierenden Augen Dr. Adlers „Aber was treibst du denn?“ zum psychopathologischen Fall. Für Fridolin jedoch scheint mit dem Austritt aus der „gewölbten Halle“ der Pathologie (mit der Erfahrung des Todes?) der geplante Rachefeldzug gegenüber Albertine  zu Ende. Und wie der Furor nach dem Traumgeständnis Albertines reichlich unvermittelt in ihn fuhr , so kommt die Wandlung zur Versöhnung nicht minder überraschend. Seine zurückgelassene Maske, von Albertine entdeckt und bedeutungsschwanger auf dem weichen Kopfkissenpolster drapiert, öffnet zunächst Fridolins Herz (etwas abgestaubt: „sank neben dem Bette nieder und weinte leise in die Kissen hinein“) und dann seine Zunge und mit dem gegenseitigen Geständnis , dass man aus den geträumten und den  wirklichen Abenteuern“ heil „davongekommen“ sei, stellt sich umrahmt von „hellem Kinderlachen“ jene bürgerliche Familienidylle wieder ein, die doch über weiter Teile der Novelle einzustürzen drohte.

„Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus“.  Schnitzler liefert mit seiner Novelle einen Beleg für Freuds These, auch wenn Fridolins Aus- und Umbrüche nicht immer schlüssig sind. Ob den Fridolins und Albertinens  zu empfehlen ist über Unerfülltes, Wünsche, auch Abgründe in Wirklichkeit und Traum besser zu schweigen – mein Ich kann es auch für sich selbst nicht eindeutig entscheiden. Aber wozu hat man kluge Freunde?
Note: 1/2 (ai) <<

>> Träume, die den Gehalt der Wirklichkeit tragen. Träume, die unmittelbar fühlbar sind. Träume, die untrennbarer Teil des Hier und Jetzt und auch des Gestern sind. Träume des einen, die in das Unterbewusstsein des anderen dringen. Träume, die Macht über das Bewusstsein erlangen. Träume, die unentrinnbar das weitere Tun lenken.
Das sind die Träume von Albertine für ihren Ehemann Fridolin. Albertine, die sich in jungen Jahren im Rausch der erotischen Reifung selbstvergessen einem Offizier hätte hingeben wollen aber letztlich nicht hingab. Als Albertine ihrem Ehegatten diese Eindrücke Jahre später beichtet, verwischen sich für Fridolin Albertines Wirklichkeit und nicht gelebte Vision so elementar, dass die Träume von Albertine für ihn zum gefühlten Ehebruch werden. Der Schmerz wiegt so schwer, dass er nicht nur den Abbruch der Ehe, sondern auch Rache und vorsätzliche Verletzungen von Albertine plant.

Es folgt eine apokalyptisch anmutende Odyssee durch die beklemmenden Tiefen des Wiener Untergrunds. Jede dieser Stationen wird für Fridolin zu einer Versuchung. Eine Versuchung, in der er sich durch Hingebung an immer wieder andere Frauen Genugtuung verschaffen könnte. Doch es kommt nie zum Vollzug. Auffallend die enge Verknüpfung von Eros und Tod, die vielen dieser Begegnungen innewohnt. Am Totenbett eines Patienten beschwört dessen Tochter dem herbeigerufenen Arzt Fridolin gegenüber ihre Liebe zu ihm. Im Gewölbe eines Kleiderverleihs wird er von dem Duft aus dem Busen eines Mädchenkindes, das offensichtlich mit zwei Femerichtern zweifelhafte Spiele treibt, empört und betört. Er folgt den Lockrufen einer vermutlich durch Geschlechtskrankheiten todgeweihten Dirne bis zum Matratzenlager. Wenig später erliegt er wie gelähmt den Reizen einer maskierten Schönheit auf einer konspirativen Swinger Party. Am Tag darauf findet Fridolin allem Anschein nach ihre Leiche in der Pathologie eines Kollegen. In der Zeitlosigkeit des Todes ist jene Frau gesichtslos geworden. Frauen dieser Nacht bleiben auswechselbar, da Fridolin sie vor allem durch den Schleier seiner Vergeltungssucht wahrnimmt. Auch sein alter Freund, der ihm Zugang zur Swinger Party verschaffte, scheint von gewalttätigen Wächtern der Erotiksekte liquidiert worden zu sein. Und dennoch spürt Fridolin die anhaltenden Bedrohungen von außen kaum. Wie seelisch angetrunken begibt er sich in immer neue Gefahren – gefangen in einem inneren Geflecht aus Begierde und Rachemotiven.

Just in dieser Nacht träumt Albertine das Gegenstück, als sie sich Jünglingen auf blühenden Auen hingibt und während dessen die Kreuzigung von Fridolin verlacht, nachdem dieser sich den sexuellen Avancen seiner Regentin verweigerte. Erotische Fantasien und Gewaltbilder auf allen Seiten.
Ohne kitschig zu wirken wendet Schnitzler in einem kurzen Moment den Lauf. Eine von Albertine dezent hingerichtet Maske, die Fridolin zum Schutz vor Erkennung die letzte Nacht getragen hatte, wird von ihm als Zeichen der Verständigung verstanden. Im Zustand der Erschöpfung bricht sein Panzer auf. Die folgende Aussprache lässt die Ehepartner die Gefahren der Traumübergänge markieren und erlaubt ihnen einander erneut zu finden. „…als ich ahne, dass die Wirklichkeit einer Nacht, ja dass nicht einmal die eines ganzen Menschenlebens zugleich auch seine innerste Wahrheit bedeutet.“ „Und kein Traum“, seufzte er leise, „ist völlig Traum.“ Note: 2– (ur)<<