Politischer Islam – Susanne Schröter

Gütersloher Verlagshaus 2019 | 382 S.

<< Eine  überaus verdienstvolle, umfangreiche Bestandsaufnahme über den politischen Islam , seine historischen Wurzeln und die wachsende Bedeutung, die er offensichtlich sowohl in den muslimisch geprägten Ländern,  als auch in Europa und speziell in Deutschlad erhält. Ein Kompendium des Versagens der Mehrheitsgesellschaft, aber vor allem linker Milieus und der Kirchen,  die den Angriff auf demokratische und freiheitliche Errungenschaften der Moderne durch Islamismus , Salafismus und Moscheeprediger negieren, im Namen einer vermeintlichen Toleranz.  Gliederung und Systematik sehr gut.  Durch die  Fülle der belegten Beispiele (200 Literaturhinweise, 500 Internetquellen) stellt sich allerdings zuweilen eine gewisse Erschöpfung beim Lesen ein. Note: 2 ( ün)   >>

 

<< Das ist ein enorm faktenreiches Sachbuch, das zuweilen den Blick aufs Ganze durchs Verharren im Kleinklein verliert. Neben vielen wissenschaftlichen Quellen  facebook-Einträge eines 16Jährigen, DITIB-homepages aus Ichenhausen u.a., Werbevideo eines Pizzaboten aus Dinslaken-Ost – das mag Belegfunktion haben sofern es repräsentativ ist, aber es zeigt letzten Endes doch nur das, was wir schon wissen: Der politische Islam ist demokratiefeindlich, intolerant, frauenfeindlich, antisemitisch, homophob. Zurecht stellt sich dabei die Frage und sie wird in diesem Sachbuch  nicht beantwortet. Warum bleibt der demokratische Rechtsstaat vorwiegend in der Rolle des Zuschauers? Oder um mit Susanne Schröter zu fragen: Warum setzen sich die Zivilgesellschaften diesem Stresstest aus? Das setzt allerdings zunächst die Antwort auf die  Schlüsselfrage voraus: Verträgt sich die Weltreligion Islam mit der säkularisierten Moderne und der Gültigkeit universeller Menschenrechte? Wenn ja, dann ist es höchste Zeit, dass vor allem deren Repräsentanten dem Missbrauch   ihrer Religion klare Grenzen setzen. Vielleicht könnte unser LQ Vertreter und Islambeauftragter anregen das Buch nicht nur in der Stadtbibliothek sondern auch in den Moscheegemeinden zur Lektüre auszulegen.  Note: 3 ( ai) >>

 

<< Vor uns liegt eine populärwissenschaftliche quasi Habilitationsschrift (die keine ist), in der das Innenleben des islamischen Fundamentalismus in Deutschland ausgeleuchtet wird. In 10 klar strukturierten Kapiteln vertieft die Autorin und Professorin geschichtliche Ursprünge des Islam und seinen globalen Siegeszug, die Manifestierung in Deutschland, die speziellen türkischen, ägyptischen und iranischen Einflüsse sowie die Unterwerfung der Frauen, Antisemitismus und die Glorifizierung gerichteter Gewalt. In der deutschen Szene identifiziert sie Schulen als eine der Hauptproblemzonen. Das letzte Kapitel widmet sich Konfliktlinien und Lösungskonzepten im bundesrepublikanischen Politikalltag.

Schröter definiert den politischen Islam als Gegenentwurf zur säkularen Moderne und den Freiheitsrechten des Individuums, wobei das Dasein in halal (gut) und haram (böse) zerfällt. Nach den Anfängen im 8. Jahrhundert führte 1258 die desaströse Eroberung Bagdads als entwickelte Megametropole durch die Mongolen zu einer historischen Rückbesinnung auf eine idealisierte Vergangenheit wie sie im Koran beschrieben ist. Das Aufflammen extremer Strömungen im Sinne wörtlicher Auslegungen ist auch anderen Krisen muslimischer Gemeinschaften wie in Ägypten gefolgt. Die dabei entstandene Muslimbrüderschaft darf heute als mächtigste islamistische Vereinigung der Gegenwart angesehen werden. Bemerkenswert ist, dass die Muslimbrüderschaft ihre Urheberschaft bei zahlreichen religiösen und sozialen Aktivitäten weitgehend verheimlicht.

Den bedeutendsten Entwicklungsschub in der Gegenwart erlebte der politische Islam 1979 mit dem Zusammenbruch des Schah Regimes im Iran und der Errichtung der islamistischen Diktatur Ajatollah Khomeinis. Die Theokratie unterstützt durch den Terror der Revolutionsgarden führte u.a. zu einer Säuberung von Ungläubigen, streng schiitischer Interpretation des gesellschaftlichen und familiären Alltags mit einer weitreichenden Entrechtung der Frauen und Abschaffung der Koeduktion. Die iranische Revolution bewirkte einen enormen Auftrieb für die Neuausrichtung des Islam in vielen Staaten und ist seitdem wie in Malaysia und Indonesien mit einer zunehmenden Politisierung der Staatsreligionen verbunden. Befördert wird diese Entwicklung durch umfängliche Bildungskooperationen im Rahmen erzkonservativer Programme Saudi-Arabiens. Die türkische Abkehr unter Präsident Erdogan von säkularen Prinzipien Atatürks hin zu neo-osmanischen Machtmodellen islamischer Prägung ist eine weitere bis nach Deutschland ausstrahlende Entwicklung.

Schröter macht vier Schwerpunktbereiche islamistischer Praxis aus: den der Politik, des Rechts, der Geschlechtsverhältnisse und der Gewalt. Im Bereich der Politik gab es immer wieder pan-islamische Bestrebungen, jedoch scheiterten Kalifat-Versuche stets an der Heterogenität der zahlreichen islamischen Gruppierungen. Bedeutender erscheint heute der juristische Bereich, welcher der Islamisierung der Politik dient. Ein wirkungsvolles Instrument der Disziplinierung ist u.a. die Blasphemiegesetzgebung. Im islamischen Alltag nach innen aber auch zur Abgrenzung und zum Angriff nach außen dient die patriarchalische Genderordnung, die sich nicht nur symbolisch in der Häufigkeit verschleierter Frauen wiederspiegelt. Vor Gericht zählt die männliche Aussage doppelt, die weibliche einfach. Nur der Ehemann kann die Ehefrau durch eine schlichte Formelwiederholung verstoßen. Vergewaltigungsanklagen von Frauen müssen von vier Männern bezeugt werden. Gelingt der Frau der vierfache Zeugennachweis nicht, wird sie selbst wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr verurteilt. Im letzten Bereich – der Gewalt – wird ein probates Aktionsmuster ausgemacht. Die Durchsetzung des politischen Islam wird meist durch gewalttätige Akteure flankiert.

Die folgenden Kapitel befassen sich mit bundesrepublikanischen Zuständen. Bemerkenswert ist hierbei auch die Rezeption innerhalb der an sich säkularen Linken, die sich teilweise laut für islamische Belange stark macht. Vermutet wird, dass dies auf Grund geschickter Kodierung und einer neuen Betonung von en vogue-Themen gelingt. Statt „Islamischer Staat“ heißt es z.B. „Welt, in der Gerechtigkeit herrscht“. Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit würden im besonderen Maß im Islam umgesetzt werden.

Die größte muslimische Ethnie in Deutschland stellen Türken dar. Deren religiöse Beeinflussung in der BRD erfolgt vor allem durch die regierungskontrollierte türkische DITIB mit eigenen Imamen in ca. 1.000 Moscheen. Hierbei geht es nicht nur um Religionsausübung, sondern auch um politische Einflussnahme. So nutzte Präsident Erdogan den Rahmen um gegen eine Assimilierung von Deutschtürken in Deutschland aufzurufen. Konkurrierend zu DITIB tritt der noch radikalere Verband Milli Görüs auf, ehemals geführt von dem in die Türkei abgeschobenen Kölner Prediger Kaplan. Ein Teil ihrer Rechtfertigungsstrategie ist der empörte Vorwurf der Islamfeindlichkeit deutscher Stellen, wobei das Opfernarrativ besonders gepflegt und in Konkurrenz zum jüdischen Narrativ gesetzt wird. Ein weiterer islamistischer Export stammt aus dem Iran, der als Hauptaktionszentrum in Berlin das Al-Mustafa Institut betreibt.

Der vierte Bereich „Gewalt“ macht in den westlichen Ländern eine Evolution durch. Früher erfolgten in komplizierten Choreographien mit zahlreichen ausgebildeten Tätern spektakuläre Großangriffe auf das World Trade Center, die Madrider und Londoner U-Bahnen oder Pariser Freizeitstätten. Gegenwärtig töten selbstständige Einzeltäter mit einfachsten Mitteln zufällig ausgewählte Mitmenschen um eine Destabilisierung in der ungläubigen Gesellschaft zu erzeugen. Ausgerufen als Krieg im Namen des Islam wird es gleichzeitig den friedliebenden Muslimen schwerer in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit das Bild des sanftmütigen Islam aufrechtzuerhalten. Eine besondere Ausprägung zeigt der Salafismus, der als Wahhabismus light eine radikale Jugendbewegung darstellt. Gewaltbereitschaft bis hin zur Teilnahme am Krieg des Islamischen Staates finden sich hier ebenso, wie eine ausgeprägte Konfrontationsbereitschaft junger Frauen, die ihre strikte Unterordnung als Selbstverwirklichung umdeuten. Die Autorin vermutet, dass die Hinwendung zu äußerst schlichten Weltbildern die Antwort auf die Zumutungen der komplexen Moderne ist. Eine Moderne, deren Komplexität zu stark verunsichert. „Die massenhafte Begeisterung für Gewalt im Namen einer Religion gibt es gegenwärtig ausschließlich im Islam“ (S. 321), schreibt Schröter.

Die Ausprägungen des Islam in der Bundesrepublik sind vielfältig, scheinen der Autorin aber besonders in Schulen problematisch. Muslimische Mehrheiten würden nicht-muslimische Minderheiten tyrannisieren, Kritik würde von den jugendlichen Tätern und ihren Eltern als islamophob zurückgewiesen und Bremer und Berliner Schulbehörden würden letztlich sogar besorgte Lehrer als kulturinkompetent rügen. Konfliktinstrumente sind neben Mobbing und Gewaltanwendung auch das Kopftuch, Beten, Fasten und die deklarierte Unzumutbarkeit christlicher Kulturrituale. In der BRD besuchen ca.60% der muslimischen Kinder zusätzlich eine Koranschule. Für die junge „Generation Allah“ garantiert der Islam einen normativen Halt in der säkularisierten Bundesrepublik.

Am Ende benennt Schröter Leitlinien für eine innerdeutsche Islampolitik. Zuoberst sei die ausländische Einflussnahme auf deutsche Islamverbände vor allem durch die Bestellung von Imamen aufzubrechen. Dazu müssten verstärkt Imame an deutschen Universitäten ausgebildet werden. Durch einen staatlich kontrollierten Schulunterricht, sollte der Einfluss der Koranschulen verringert werden. Ferner müsste die finanzielle Abhängigkeit der Verbände vom Ausland unterbunden werden, indem z.B. eine Moscheesteuer entsprechend der Kirchensteuer erhoben wird. Gängige deutsche Schulprinzipien wie Koeduktion sowie Sport- und Schwimmunterricht sollten allgemein verbindlich sein.

Schröter hat ein kenntnisreiches Werk zusammengetragen, das mit Fleiß und Akribie den islamischen Körper seziert. Die Darstellung verzichtet weitgehend auf tendenziöse Interpretationen, auch wenn die Kritik am politischen Islam umfassend ist. Ein Teil der dargestellten Fakten sind inzwischen Allgemeingut. Die Detailversessenheit mit über 500 Literaturstellen dürfte nur für semiprofessionelle Islamkenner von Interesse sein und fordert vom Laien ein nicht unerhebliches Durchhaltevermögen bei der Lektüre.

Note: 3 – (ur) >>

 

<< Susanne Schröter bedauert das Versagen der Linken und der neuen einäugigen Frauenbewegung, die die Risiken eines rigiden und agressiven politischen Islamismus nicht zu erkennen vermögen. Die Autorin belegt sorgfältig all das, was sie behauptet. Das ist ohne Kleinklein und viele Belege schwer möglich. Erfreulicherweise klammert sie den oft tabuisierten muslimischen Antisemitismus nicht aus. Es bleibt zu hoffen, dass am alljährlich in der muslimischen Welt gefeierten Qudsday keine israelischen Fahnen mehr verbrannt werden, wie zuletzt auch in Berlin.

Gelegentlich wird Schröter vorgeworfen, sie beschreibe nur ohne Ursachen zu nennen. Dem ist nicht so. Sie benennt in seltener Offenheit unter anderem die Ursachen, an denen Integration scheitert. Immer wieder gibt es auch kleine Hoffnungsschimmer. So hat kürzlich das hessische Bildungministerium die Zusammenarbeit mit DITIB beendet.

Ich bewundere die Courage der Autorin, die an der Frankfurter Universität keinen leichten Stand hat. Ich hoffe, dass sie im Herbst wieder nach Tübingen kommen kann.

Das Buch ist schlüssig aufgebaut und sehr hilfreich für alle Menschen, die versuchen , die allerorts zu beobachtende Beeinflussung des öffentlichen Lebens durch islamistische Gruppen zu benennen, zu kritisieren oder zurückzuweisen. Das ist oft nicht leicht, da man von Werterelativisten und Tolleranten schnell in eine Ecke gestellt wird, in die man nicht gehört. Islamophobie (Phobie = Krankheit) oder antimuslimischer Rassismus sind dabei die am häufigsten verwendeten rhetorischen Keulen. Was hat Rassismus mit Religion zu tun? Die bundesrepublikanische Mehrheitsgesellschaft sollte weniger wegschauen und sich nicht wegducken.

Ein Buch, dem viele Leserinnen und Leser zu wünschen sind.  Note : 1/2 (ax) <<