Die Hauptstadt – Robert Menasse

Suhrkamp Verlag, Berlin 2017 | 459 Seiten.

>>Ein herrenloses Hausschwein irrt durch die Metropole. In der Hauptstadt Brüssel verbindet die Unverhältnismäßigkeit das Zufällige. Das Schwein verbindet Menschen: Mörder, EU-Funktionäre, Akademiker, Senioren. Im Prolog streifen wir mit dem Schwein Menasses Protagonisten: den jüdischen Pensionär David de Vriend, die ambitionierte EU-Aufsteigerin Fenia und ihren hochdotierten Bettkollegen Frigge, den Killeragenten Matek, den kleinen EU-Advokaten Martin Susman und den tiefschürfenden Gutachter Prof. Erhart. Was haben sie gemeinsam außer der folgenlosen Begegnung mit einem desorientierten Schwein?

Das Schwein als Metapher für die EU? Im Prolog geistert es durch eine ihm fremd bleibende Gegenwart. Und dennoch tut es dies mit großer Entschlossenheit, so dass man intuitiv vor ihm zurückweicht. Es ist überall und dennoch mysteriös unsichtbar. Die Medien multiplizieren es vielfach. Es ist so ambivalent wie Saukerl und Glücksschwein und so schicksalhaft wie Schwein gehabt. Im Epilog verschwindet es spurlos. Als die Öffentlichkeit seine Ernsthaftigkeit untergräbt und dem Schwein ausgerechnet den provokanten Namen Mohamed gibt, geben auch die Medien auf. Das Schicksal der EU?

Vielleicht schon, denn es geht um die Sinnkrise der EU, im Besonderen der allmächtigen Kommission. Das Image ist konturlos, die verblassten Farben tendieren zum volltransparenten Grauschwarz. Ihre Vertreter werden als blutsaugende Insekten am europäischen Volkskörper wahrgenommen. Europa droht dem Juckreiz überdrüssig zu werden. Das macht die Zentrale nervös. Sie dringt darauf, das politische Erscheinungsbild zu beleben, wobei sich der EU-Apparat natürlich selbst im Wege steht.

In herrlich nüchternen Grotesken untergraben die konkurrierenden Generaldirektionen die Fundamente der Nachbarn. Initiativen anderer werden erfolgreich sabotiert, indem man durch Zustimmung Vertrauen schafft um dann im unbedachten Moment des Vertrautseins die Zusammenarbeit mit einem bösen Dritten nahezulegen. Dieser vollführt darauf den finalen Dolchstoß. Die Schuld liegt dann immer bei dem Anderen. Wirklich chancenreich sind Initiativen, denen mit Desinteresse begegnet wird. Nur dann bleibt die Realisierung unbehelligt.

Primäres Interesse jeder Einheit ist zunächst einmal das Eigenleben. Manche dieser Einheiten werden belächelt wie etwa das Kulturreferat, auch Arche Noah genannt. Arche Noah: ziellos dahintreibend und das retten, was an Bord ist. Mitglied dieser Einheit zu sein erfordert allerdings die robuste Fähigkeit, mit Erniedrigungen zu leben. Während Sitzungen für Toilettengänge der Agrardirektion selbstverständlich unterbrochen werden, würde man für die Verdauungsbedürftigkeiten der Kulturreferenten eine Unterbrechung nie dulden. WC-Wartezeiten als Statussymbol.

Ethiker diskutieren derartige Symptomatiken im Krankheitskontext von „institutional pathologies“.Szenisch herrlich inszenierte Hintergründigkeiten präsentiert Menasse aus dem Innenleben der europäischen Zentrale. Wir lernen die Feuerfestigkeitsverordnung kennen, die eine chemische Imprägnierung für Bio-Natur-Kaninchenfell-Unterwäsche vorschreibt. Immerhin bleibt jetzt nach einem nächtlichen Zigaretten-Schlaf die Unterbekleidung von Brandopfern erhalten. Programmstrategien folgen gerne dem Repackaging Muster. Man verteilt Geld, das man an sich nicht hat, indem bestehende Hilfsprogramme umtituliert, neue Bedingungen formuliert und damit neue Statistiken garantiert werden. Die fortgeschrittene Variante baut auf ein stufenweises Vorgehen, womit zudem eine ansteigende Dynamik erreicht wird. Das kommt immer gut.

Kompetenzstreitigkeiten bleiben naturgemäß das Lebenselixier der EU – wie es am Beispiel „das Schwein als Querschnittsmaterie“ deutlich wird. Das Schwein im Stall ist Gegenstand der Direktion AGRI. Nach der Schlachtung wechselt die Mettwurst in den Entscheidungsbereich der Direktion GROW und erst wenn die Wurst verschifft wird, kommt die Direktion TRADE ins Spiel. Da kann man nur dankbar sein, wenn einer Direktion das Schwein mal Wurst ist.

Doch zurück zum Kernproblem der Vereinigung: die Imagekrise, das fehlende sinnstiftende Motiv oder neudeutsch: das europäische Narrativ. Wenn sein Sein oder Fehlen schon im Vagen bleiben muss, dann sollte es wenigstens Feuerwerkszauber zur Ablenkung geben. Mit Blick auf den Kalender ist die Lösung schnell gefunden. Die Kommission wird 50. Da drängt sich natürlich ein europäisches Geburtstagsfest auf – das Big Jubelee Project wird geboren. Und hier beginnen fünf Erzählstränge der vom Brüsseler Hausschwein gestreiften Protagonisten.

Die ehrgeizige Fenia bemächtigt sich des Jubelee Projects, um sich mit einem Leuchtturm-Event für einen Wechsel aus der verlachten DG CULTURE in die prestigeträchtige DG TRADE zu profilieren. Ihr bemühter Mitarbeiter Susman soll es ausbaden – und in der Tat wird nicht nur er nass. Auf der Jahresfeier zum Andenken an Auschwitz entwirft er den Gedanken, die aus dem Gräuel des Genozids erwachsene moralische Erneuerung zum Kern des Jubelee Projects zu machen. An diesem Ort sei der versöhnende, europäische Gedanke geboren worden. An diesem Ort müsste die zentrale Jubiläumsfeier inszeniert werden. Wir seien eine europäische Familie, bedrohliche Nationalismen würden überwunden. Katalysator der friedensstiftenden Vision sei allein die EU-Kommission – und nicht etwa der EU Rat. Endlich naht das Ende der Weinerlichkeit.

Susman ist durchaus ernsthaft dabei und geht noch einen Schritt weiter. Ziel müsste die vollständige Überwindung nationaler Grenzen und Abgrenzung sein. Auch Fenia übersieht die damit provozierte offene Flanke im Unterleib der DG CULTURE. Prompt stoßen die anderen Ratsmitglieder ihre Dolche in das naive Bauchfleisch. Die baltischen Staaten antworten prompt: die Aufgabe nationaler Souveränität sei weltfremd, Auschwitz als Einstieg in den Ausstieg völlig indiskutabel. Polen bietet an, dass Deutschland Ausschwitz abbauen und als Museumslandschaft im eigenen Land rekultivieren könnte. Schließlich handele es sich um eine deutsche Schuld. Deutschland selbst lehnt das Jubilee Project ebenso ab, da die Betonung des Jüdischen die aktuelle Bedeutung des Islam vernachlässige. Am Ende stirbt nicht nur die Jubelfeier, sondern es sterben auch in einem konvergierenden Zufall zahlreiche ihrer Befürworter.

Unter den Befürwortern ist auch Prof. Erhart. Er versucht vergeblich als externer Gutachter in einem EU-Think tank einen ernsthaften Brain wash. Auch hier wird über Image-Putzarbeiten nachgedacht. Doch während die EU-Beamten schlicht mehr vom Gleichen wollen, fordert Erhart einen grundlegenden Konzeptwandel. Auch er favorisiert die Überwindung der Nationen hin zu einer nachnationalen Demokratie und die Gründung einer europäischen Gesamthauptstadt – auch er favorisiert Auschwitz als symbolträchtigen Ort. Auch er scheitert.

Und während in den Amtsstuben administrativ aufgerüstet wird, werden im Halbdunkel bereits die Waffen gezückt. Matek erschießt im Hotelzimmer den Falschen. Fortan wird er seine Energie darauf verwenden herauszufinden, ob sein Arbeitgeber (die NATO?) ihn bewusst auf eine falsche Fährte setzte. Diese Spur führt im Nachbarhaus an David de Vriend und im Flugzeug nach Krakau / Auschwitz an Martin Susman vorbei, ohne dass diese sich begegnen. Um Aufklärung des Falls bemüht sich währenddessen Kommissar Brunfaut. Da seine Untersuchungen von höchster Stelle unterbunden werden, bleibt auch ihm der Kontakt zu den anderen Protagonisten verwehrt.

Ähnlich isoliert sind die Bemühungen von Prof. Erhart, der nie Kontakt zu einem anderen Darsteller dieses Literaturplots haben wird. David de Vriend ergeht es ebenso. Auf ihn werden lediglich Susman und Fenia bei den Jubilee Project-Recherchen aufmerksam. Als einer der letzten KZ-Überlebenden scheint ihnen De Vriend ein idealer Festtagsrepräsentant zu sein. All diese Figuren werden nur aufeinander zulaufen ohne sich zu erreichen. De Vriend, Erhart, Susmann und Fenia fallen vermutlich dem gleichen U-Bahn-Bombenattentat zum Opfer. Auch Matek stirbt bei einem Notstopp auf den Gleisen als sich ein ehemaliger KZ-Flüchtling in Selbstmordabsichten vor seinen Zug wirft. Die Spur des Kommissars Brunfaut verläuft wie seine Detektivarbeit im Sande. Und das Schwein ist ebenso tot gesagt. Die Spuren der EU enden im Nirwana.

Als Rezensent bleibt man unschlüssig, ob dieses Konzept der berührungslosen Parallelstränge gelungen ist. Gelungen sind in jedem Fall die facettenreichen Euro-Mosaike. Besonders gelungen sind die Lebensrückblicke der Protagonisten, ihre Jugendqualen und Momentfreuden, ihre Familiendramen und Schicksalswendungen, ihre Persönlichkeitsentwicklungen und Erkenntnisoffenbarungen, ihre Widersprüche und Entschlossenheit. Vor allen in diesen Passagen kommt der große Schriftsteller Menasse zur Geltung. Wenn doch nur alles stimmiger eingebettet wäre.

In gewisser Weise unverstanden bleiben auch das dichterische Anliegen und seine Ausgestaltung zum Thema: das Ende der historischen Scham. Ist der literarisch breit angelegte Versuch, Auschwitz zum Ausgangspunkt einer EU-Vereinigungsidee zu machen, eine geniale staatspolitische Idee oder doch eher inflationärer Missbrauch? Ist es eine weitere EU Bizarrheit a la Seligmanns „Der Musterjude“ oder eine Revitalisierung verantwortlicher Erinnerungskultur? Mir scheint es eine Wanderung auf vereistem Grat direkt an der Fallkante. Dennoch:  Note: 2 – (ur) <<

>>Zweifellos, Robert Menasse schreibt über weite Teile großartig, deckt mit sympathisch ironischer Art das gigantische Beziehungsgeflecht der Europäischen Institutionen, hier der Kommission, auf, zeigt Typologien des EU-Eliten-Beamtenapparats, Idealisten, Karrieristen („Salamander“), Intriganten, Taktiker, Strozzis, die mit Raffinesse nicht nur das verbale Florett führen, legt die interessensgeleitete Sichtweise der  jeweiligen EU-Staaten  und deren Winkelzüge offen,  veranschaulicht die Irrungen und Wirrungen von Entscheidungsprozessen und zeigt die Stolpersteine des „EU-Sprech“ z.B. Rettungsschirm.  All dies veranschaulicht er am Big Jubilee Projekt, mit dem das reichlich ramponierte Image der Kommission aufgebessert  werden soll. Dieser Teil ist akribisch recherchiert,  das Personentableau vor allem die Schlüsselfiguren Fenia Xenopoulou und Dr. Martin Susman  überzeugend, die Einblicke des Lesers ins ferne EU-Brüssel  köstlich erhellend, ohne dass  dies in einem billigen EU-Bashing  endet. Die Handlungsstränge um  diesen Romankern herum  , lösen dagegen eher Irritation als Klarheit aus. So versanden teilweise die Spuren, die das brillante Eingangskapitel ums Schwein legt. Der Atlas-Mord und die Oswiecki-Figur  entwickeln sich zu einer eigenständigen Krimi-Geschichte, polnischer Geheimdient und Vatikan lassen grüßen, die Kommissar Brunfaut Episode versackt im NATO-Nebel. Hotelgast  Professor Erhard bleibt in einer Mischung von Visionär und Karikatur in einem reichlich skurrilen Think-Tank eher an der Peripherie der EU-Machtzentrale,  Gouda Mustafa, jene doch reichlich kalauernde Mischung aus Hollandkäse und Migration, wird gänzlich vergessen (dabei hätte doch diese Figur einen wunderbaren Einstieg ins Migrationsmilieu geboten). Das Eingangsschwein wird in den Epilog verbannt und verschwindet gänzlich aus der öffentlichen Wahrnehmung, nachdem das Ergebnis  der Kampagne „Brüssel sucht einen Namen für sein Schwein“, bei  -witzig witzig- „Mohamed“  landet. Einzig David de Vriend, der altersbedingt nach 60 Jahren seine Wohnung „besenrein“  verlassen muss um im Altersheim die letzten Jahre zuzubringen – für mich die gelungenste Figur des gesamten Romans-  bildet ,wie sich allmählich im Verlaufe der Romanhandlung zeigt als letzter Zeitzeuge, einen Bezug zum zentralen Big Jubilee Projekt. Mit dem Thema „Auschwitz“ begibt sich Menasse allerdings  auf ein Terrain, bei dem der Leser von Beginn an nicht immer eindeutig zu unterscheiden vermag, wo und wann die Tonlage zwischen ironisch und tragisch kippt. Alles nimmt seinen Ausgangspunkt mit der alljährlichen Einladung zum 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Lagers Auschwitz. Diese ritualisierte „Dienstreise“ (!!!!) trifft dieses Mal Dr. Martin Susmann von der Abteilung Kultur, in der die karrierefrustrierte  Fenia  Xenopolou mit der Gestaltung des Big Jubilee Projekts  betraut ist.  Susmanns Einladungsschreiben ist der fürsorgliche Rat beigefügt sich „warme Unterwäsche“ zu besorgen um in dieser Jahreszeit in „Ausschwitz-Birkenau“ nicht   „krank zu werden“. Alles, was Susmann später seinem Nebenzimmerbeamten Bohumil berichtet, ist nicht frei von Bizarrem und Grotesken. Das beginnt schon  damit, dass die „Salamander“ Auschwitz in der Ukraine verorten, führt über den „vom Hals baumeln lassen“den  „Guest of Honour in Auschwitz“-Badge über die „No-Smoking in Auschwitz“-Aufforderung bis zum Heißgetränke-Automaten „Enjoy“ an der Lagerstraße. Gleichwohl führt Susmanns Auschwitz-Begegnung zu seiner Idee – historisch reichlich emotional  aufgeladen – Auschwitz als Geburtsstunde der europäischen  Kommission mit der geplanten Jubelfeier zu verknüpfen. Es bleibt letzten Endes offen, wie ernsthaft und überzeugend dieser Gedanke von Susmann wirklich gemeint ist, die unmittelbare Vermarktungsstragie, Überlebende als Zeitzeugen auftreten zu lassen, Fenia  Xenopolou spricht ganz nüchtern davon „Vielleicht genügt einer. Im Grunde brauchen wir nur eine Symbolfigur“ nährt eher den Verdacht der  Instrumentalisierung. Nach kurzfristiger Euphorie und geschäftiger Recherche von Deportationslisten dämmert das Projekt langsam dahin , ein Zeichen für den durch nationalstaatliche Egoismen und Vorurteile bestimmten Entscheidungsprozess innerhalb des EU-Apparats. (polnische Bedenkenträger, der Ungar Hurtigurti ‚Sport statt Juden, geheuchelte Islamrücksichtnahme Deutschlands). Der absurde Höhepunkt  der „Moralkeule“  Auschwitz findet allerdings an einem anderen Ort Brüssels statt. In seinem finalen Auftritt entwickelt Prof. Erhards vor dem schon genannten Think Tank seine sicherlich ernstgemeinte  Vision eines Europas durch die Überwindung von Nationalstaaten und Nationalökonomie. Sein Abgang mit der Forderung  Auschwitz zu dessen Hauptstadt zu machen, entlässt mich als Leser mit Kopfschütteln.

So gelungen Menassesr Romaneinstieg, so wenig überzeugt der Schluss seines Romans. In der Metrostation Maelbeek – ein völlig unvermittelter Satz „Da detonierte die Bombe“- , ereilt David de Vriend, Prof. Erhard, Dr. Martin Susmann und Fenia Xenopoulou ihr gemeinsames Schicksal . Damit werden, reichlich konstruiert, die meist parallel laufenden Handlungsstränge doch noch zusammengeführt.  Hier scheint dem Autor recht überraschend der reale Terroranschlag in Brüssel am 22. März 2016 die Feder geführt zu haben und dies, ohne dass es  im  ganzen  Roman über die Hauptstadt auch nur eine einzige Andeutung über das gibt, was im Molenbeek Brüssels ein Jahr zuvor schon seinen Ausgang nahm.  Note : 2 – ( ai) <<

>> Um welche Hauptstadt geht es? Erst relativ spät wird dem Leser klar, dass nicht Brüssel, sondern Auschwitz gemeint ist, wenn Professor Alois Erhart fordert, die Europäische Union müsse ihre Hauptstadt in Auschwitz bauen „als Stadt der Zukunft, zugleich die Stadt, die nie vergessen kann.“

Auschwitz, das Schlüsselwort des Romans.  Die Generaldirektion Kultur bereitet ein „Jubilee Project“ vor, in dessen Mittelpunkt Auschwitz stehen soll.  Auschwitz als Begründung für die europäische Einigung? Vor allem aber soll das Image der Kommission aufpoliert werden. Doch in den Interessenkonflikten zwischen der Mitgliedsstaaten und den Institutionen der EU wird das Projekt subtil zerrieben. Intrigen und Empfindlichkeiten im Beamtenapparat werden ironisch und gleichzeitig gut nachvollziehbar erzählt.

Der Roman beginnt mit einem Schwein (oder sind es mehrere), das à la Rennschwein Rudi Rüssel durch Brüssel rennt. Ein running gag im wörtlichen Sinne, der von sechs Protagonisten beobachtet wird (David de Vriend, KZ-Überlebender, Fenia Xanopoulou, ehrgeizige Leiterin der Generaldirektion für Kultur, Kai-Uwe Frigge, Büroleiter für Handel, Mateusz Oswiecki, polnischer Attentäter und die Brüder Martin und Florian Susmann, ersterer der Ideenspender für das Jubiläumprojekt, Florian Lobbyist für die europäischen Schweineproduzenten). Nur Moustafa Gouda, der sich durch das unreine Tier beschmutzt fühlt und in den Dreck fällt, verschwindet kurioserweise vollständig vom Tableau. Die meisten Kapitelüberschriften geben Rätsel auf. Zum Beispiel: „Kann man ein Comeback der Zukunft planen?“  Oder eine Kapitelüberschrift in polnischer Sprache.

„Das war alles“ sagt Monsieur Hugo auf der letzten Seite des Buches.

PS: Ach nein, da war doch noch was. Die Aktentasche von Professor Erhart, seine Schultasche, von der sich nicht trennen will und kann. Das macht ihn mir so unendlich sympathisch.  Note : 2 (ax) <<

 

>> In einem furiosen Prolog galoppiert ein herrenloses Schwein durch Brüssel und die wesentlichen Protagonisten des Romans, zumeist EU Bürokraten, sind irgendwie involviert und werden so schon mal auf die Bühne gestellt. Dazu noch gleich zu Beginn ein Mord in einem Hotel. Ein Auftakt, der enormen Drive hat und richtig Lust aufs Lesen macht.

Die Mechanismen der EU Maschine werden mit vielen Detailkenntnissen offengelegt. Das ist aufschlussreich und zuweilen amüsant zugleich. Zu einem anstehenden EU Jubiläum (Big Jubilee) werden Ideen gesucht. Dr. Martin Susman, Kind österreichischer Bauern, besucht dienstlich Auschwitz und hat dabei die Idee, Auschwitz als“ Hauptstadt“ der EU in den Mittelpunkt der Feiern zu stellen. Er stellt diese Idee seiner Vorgesetzten Femia Xenopoulou vor, die er nicht ausstehen kann. In der Folge entfaltet die Idee eine ungeheure Eigendynamik, bei der Kompetenzgerangel und Karriereambitionen im Mittelpunkt stehen. Im Protokoll steht: „Allgemeine Zustimmung“. Dann kommen einzelne Bedenken, bis nichts mehr übrig ist. Seltsamer Einfall Menasses: Deutschland meint, dass „Muslime nicht ausgeschlossen sein sollten“ und findet ausgerechnet Zustimmung bei Ungarn. Großartig dagegen, wie der Vorgesetzte von Femia, der mit allen Wassern gewaschene Strozzi, dieser eine Lektion in Sachen Macht und Ohnmacht erteilt.

Leider kann sich Menasse nicht richtig entscheiden, ob er nun die Absurdität des Vorschlages (Auschwitz Keule) thematisieren möchte oder die Idee doch durch den Kern des EU Gründungsmythos – Nie wieder Auschwitz – quasi adeln möchte. Auch gerät der Schluss dann doch etwas klischeehaft und mit zu viel Bedeutung angereichert. (Selbstmord eine Holocaust Überlebenden und Unfall mit Flüchtlingstreck)

Dass ein Roman über die Hauptstadt der EU ohne jeglichen Bezug zum Problemviertel Molenbeek auskommt, außer dass am Ende an der U Bahnstation Maelbeek eine Bombe hochgeht, und sich die Wege einiger Protagonisten dort schicksalhaft just in dem Augenblick der Detonation kreuzen, mutet seltsam an. Auch werden manche Fäden nicht wieder aufgenommen, wie etwa die Figur des Muslim „Gouda Mustafa“.

Fazit: Furioser Auftakt, Sehr gelungene Innensicht der EU, Schluss unbefriedigend.
Note: 2/3 (ün) <<