Kraft – Jonas Lüscher

C.H. Beck Verlag 2017 |  235 Seiten.

>> Nach „Frühling der Barbaren “ erneut ein brillanter Lüscher. Sein „Kraft“ ist Nachfolger von Walter Jens in Tübingen („hausbackene Akademikergesellschaft“) auf dem einzigen Rhetorik Lehrstuhl in Deutschland. Er weilt in Stanford/Silicon Valley am „Hoover Institut on war, revolution and peace“ , um an einem von einem Internetmilliardär ausgelobten 1 Million Dollar Wettbewerb teilzunehmen, bei es um die originellste Antwort auf die Frage: „Why whatever is, is right and why we still can improve it?“ geht.  Schon diese Versuchsanordnung macht richtig Lust, sich auf das einzulassen was folgt: Eine wundervoll geistreiche Abrechnung mit dem übercanditelten Wissenschaftsbetrieb diesseits und jenseits des Atlantiks, mit den technikgläubigen, ewig optimistischen Start-ups aus dem silicon valley, und vor allem mit dem Neoliberalismus und seinen freidemokratischen Protagonisten der 80 er Jahre um den Grafen Lambsdorf und deren ungekrönten Queen Maggi Thatcher, als deren Bewunderer Lüscher seinen Kraft starten lässt, womit ihm natürlich während seines Studiums an der FU Berlin ein durchaus kalkuliertes Alleinstellungsmerkmal  zukommt.
Lüscher erweist sich ein weiteres Mal als genialer und witziger Beobachter der Zeitläufe, der seine subtile Kritik am Kapitalismus hintergründig immer wieder in die Überlegungen seines Protagonisten Kraft zu seinem Wettbewerbsvortrag einfließen lässt. So etwa wenn Kraft sich vorstellt, wie er „ mit den Kanthölzern der neoklassischen Theorie und des Marktliberalismus auf sein Zuhörer einzudreschen“ gedenkt. Richtig dankbar sein muss man Lüscher für eine hellsichtige und hellseherische Analyse der Weltlage, die er Krafts Mitwettbewerber Bertrand Ducavalier in einem einzigen, zugegeben langen Satz auf S. 226 in den Mund legt: Vom drohenden Zerfall der EU bis zur Freihandelspolitik, die Millionen des Südens in den Norden treibt. Kurz vorher hatte Ducavalier auch noch die französische Linke scharf attackiert, die sich nie bemüht habe, das „elitistische und neofeudale Ausbildungssystem in Frankreich “ zu reformieren.

Eine überaus politisches Buch also, das auf höchstem sprachlichem und intellektuellem Niveau auch noch überaus witzig ist. Einzig der Schluss bleibt rätselhaft. Note : 1 – (ün)

>>Schon der Einstieg in den Plot gibt die Richtung vor. Hier geht es vor allem um Entlarvung eines pseudowissenschaftlichen Popanz, der sich hinter so manchem modernen Wissenschaftsbetrieb verbirgt. Die große philosophische Frage von G.W. Leibniz aus dem 18. Jahrhundert nach der Notwendigkeit des Übels „in der besten aller Welten“ verkommt zum 307 (!!!) Jahrestag des Universalgelehrten zum Preisspiel : wer wird Millionär.  Ein steinreicher amerikanischer Unternehmer und Gründer eines „Amazing Future Fund“ (!!!) namens Erkner lockt weltweit Wissenschaftler um in einem 18 minütigen  Vortrag an der angesehenen Stanford  University die Frage zu beantworten „Why whatever is right and why we still can improve it?“.  Statt kritischer Aufklärung bedingungs- loser Fortschrittsoptimismus in time (18Minuten). Statt philosophischer Essay „schnelle Abfolge von Vorträgen…mit Präsentationssoftware“, statt Leibnizscher Gelehrtendisputation Übertragung per Livestream. Da verwundert es nicht, dass unser in verschiedensten Disziplinen promovierter und blitzgescheiter  Protagonist Kraft weit weniger an der Fragestellung als an der Kohle interessiert ist, bietet sich ihm doch mit Erkners Preisgeld die Chance wenigstens ökonomisch seine 2. Ehe mit Heike zu retten. So macht sich Rhetorikprofessor Kraft mit Hilfe seines alten ungarischen Studienfreundes Istvan Pancel, er wird durch eine großartig groteske Fluchtgeschichte eingeführt, die ihn vom Schachtrikotwäscher über eine Phase militanter Neoliberalität , Kalter Krieger durch sein „Alleinstellungsmerkmal Ungarnflüchtling“ zum Professor in Sachen Abschreckungstheorie  in Stanford katapultiert. Was dann „unseren“ Kraft, bei Lüscher dominiert das Erzähler-Wir, in dem von Heike auf 14 Tagen genehmigten „Forschungsaufenthalt“ im Tochterzimmer bei  Ivan logierend  in allen Licht- und Schattenseiten charakterisiert, ist ein buntes Potpourri von biographischen Rückblicken aus bewegten Berliner Studienzeiten, Frauenbeziehungen und reichlich schrägen Begegnungen Im Dunstkreis  des reichlich diffusen amerikanischen Wissenschaftsverständnisses, dominiert von den“ seltsamen  Kultstätten“ vom naheliegenden Silikon Valley. Während uns die Rückblicke neben reichlich grotesken Episoden (Ruths Gerbera Attentat-, Professor Ackerknechts Hodensack, Hefe-Johannas-asexuelle Fortpflanzungsfaszination etc.) – vor allem eine großartige zeitgeschichtliche Analyse des Jahres 1982 liefert – treffender kann man die Bundestagsdebatte um das konstruktive Misstrauens nicht beschreiben, vor allem Krafts entgegen seiner eigentlichen ideologischen Ausrichtung sicheres Gespür, dass mit dem Auftritt  Kohls „nur noch deftig Mastiges auf den Tisch kommen werde“ (S.91), dominiert in den aktuellen  San Franzisko Erlebnissen Bizarres, das neben der völlig schrägen Figur Ragnar Danneskkjöld und dessen „Sea Stadies“ und „nessy politics“  in der Begegnung mit zwei Start-Up Fuzzis im „Artbuckle Dining Pavilion“ (auf dem Campus vom Nike-Gründer mit mehreren 100 Millionen bedacht) seines Höhepunkt findet. Am Beispiel  einer neu zu entwickelnden App für ein krudes Nahrungsmittelsubstituts namens Soylent ,  einer grau-beigen Schlurze, und eines Reichweiten-Akzelerators für Live-Video-Stream mit Hilfe einer durch künstliche Intelligenz optimierten Bilderkennungssoftware  namens Famethrower werden wir Zeuge einer Entwicklung, die aufgeblasen durch hippe Phraseologie wissenschaftlichen Fortschritt ausschließlich nach Kriterien von Vermarktung und Quantifizierung bemisst. Sinn verkehrt sich für Kraft und den Leser in der Aura der “Hoover Institution on War, Revolution and  Peace „ zunehmend in Big-Data- Schwachsinn und so verwundert nicht, dass von Krafts reichlich gefülltem abendländischem Bildungsballast (hier lieferte der Zettelkasten bzw. die Datenbank des gescheiterten Doktoranden Lüscher in Sachen Philosophie, Literatur, Ökonomie, Theologie reichlich Futter) angesichts  der auf 18 Minuten zu legitimierenden Optimierung der Weltordnung im Erknerschen Sinne wenig übrigbleibt. Krafts Konzept für die Beantwortung der Millionenfrage zerbröselt daher zunehmend vergleichbar seinen Beziehungen zu Frauen und gemeinsamen Kindern.  Seine Sinnkrise ist nach 14tägigem Stanford- Aufenthalt nachvollziehbar, das Experiment Ehe ist auch ökonomisch endgültig gescheitert, das Abendland steuert auf Untergang. Dass unser Kraft allerdings seinen Abgang als Live-Stream Event inszeniert, bleibt mir ein Rätsel. Die Realsatire „Technodizee“ allerdings wird durch Lüschers Roman zur Kenntlichkeit entstellt.   Note:  2+ (ai) <<

 

 

>> Die Hauptperson des Romans Richard Kraft ist nicht wirklich kraftvoll. Vieles, was aus diesem Geist entfleucht, bleibt windig. Leichtgewichtiges vermengt sich mit Aufgeblähtem, Blasen treiben im intellektuellen Halbdunkel. Vakuum-verdichtete Leere wird von Kraft als üppige Reichhaltigkeit vorgetäuscht. Der Rhetorikwissenschaftler beherrscht vor allem den kraftvollen Schaumschlag. Kraft ist also mehr Geräusch als Klang. Er ist der intelligente Typus im besten Midlife-Crisis-Alter mit zwei gescheiterten Ehen samt ähnlich quacksalberndem Nachwuchs. Dabei ist Kraft auch verletzlich, in den Tiefen reflektierend und letztlich sogar selbstkritisch. Züge, die lange Zeit seinem Geltungsdrang zum Opfer fallen. Kraft möchte was werden, was sein. Kraft ist etwas geworden: Nachfolger des legendären Rhetorikprofessors Walter Jens an der Universität Tübingen. Und jetzt mit Beginn des Buches holt Kraft zum ganz großen Kraftakt aus.

              Kraft will eine Million Dollar Preisgeld für einen intellektuellen Gesamtwurf heimbringen. Die Preisfrage lautet: Warum ist alles gut und wie können wir es noch besser machen? Der vom amerikanischen Unternehmer Erkner ausgeschriebene Wettbewerb an der berühmten Stanford University fordert, die Sonne Kaliforniens in eine intellektuelle Weltschau zu bannen. Konkreter Optimismus, historisch begründen, philosophisch vergleichen, rhetorisch garnieren, innovativ präsentieren, fulminant überrollen. So muss es gehen. Schluss mit Katastrophenvisionen, Schluss mit Desasterfixierung. Wenn schon Klima und Krieg, dann sind wir wenigstens dankbar für die dadurch entstehenden Gestaltungsmöglichkeiten. Es geht vordergründig um Herrn Kraft in diesem Buch, hintergründig um Daseinswahrnehmung und Werte.

              Zu diesem Zweck führt uns Lüscher in die Niederungen eines akademischen Biotops, in dem Jungakademiker munter mendeln und mutieren, miteinander konkurrieren, sich fortpflanzen in Geist und Leib und sich erotische Kommilitoninnen streitig machen. Noch in Deutschland gehört Kraft in den Baumkronen zu den Gewinnern. Doch im Wurzelwerk häufen sich Einbußen. Früh erkennt er, dass zur Profilierung Profil gehört. Entsprechend vertritt er während seines Studiums an der aufgewühlten Freien Universität Berlin den Thatcherismus. Die unzeitgemäße Außenseiterposition provoziert nicht nur Gegenwind, sondern garantiert eben auch ein Alleinstellungsmerkmal. Man wird auf ihn aufmerksam. Professoren suchen Assistenten, die Karriere ist eingeleitet, Fakultätsstellen werden angeboten und Kongresse kommen ohne den eloquenten Akademiker kaum noch aus. Seine Grundhaltung ist konservativ neoliberal: der Markt wird es richten. Vor allem, wenn das Böse im Sowjetreich domestiziert wird.

              Krafts Begleiter wird István/Ivan. Ivan hat angeblich als ungarischer Dissident und Schachchampion rüber gemacht und wird entsprechend als endemische Rarität gefeiert. Ähnlich wie Kraft ist Ivan dem großen Wort verpflichtet, das er lautstark vorträgt. Ewig verschweigen wird er jedoch, dass er am Abreisetag einer ungarischen Schachmannschaft im Berliner Hotel schlicht vergessen wurde. Da ihm Schach wenig lag, war er als allabendlicher Hemdenwäscher am Hotelwaschbecken eingeteilt, um die Ausdünstungen der Spielerhemden aus transpirationsfeindlichen, sozialistischen Kunsttextilien niederzukämpfen. Fortan bejubeln Ivan und Kraft gemeinsam den amerikanischen Präsidenten Reagan im geteilten Berlin. Sie agitieren auf studentischen Vollversammlungen und suchen die Gegen-gegen-Konfrontation auf Gegendemonstrationen.

              Auf einem dieser Höhepunkte wird eine Gerbera zur Schicksalsblume. Als Ivan auf einer Frauendemo die Parole „Sonne statt Reagan“ mit Verbalattacken quittiert, schlägt ihm die bis dahin unbekannte Ruth Lambsdorff das besagte Floristenrequisit ins Gesicht. Leider trifft der eingearbeitete Blumendraht den Glaskörper. Zusammen mit dem folgenden Pfusch eines Augenklinikers, bleibt das Augenlicht chancenlos. Ivan erblindet einseitig. Kraft begleitet zunächst die erschütterte Ruth an Ivans Krankenbett, kann aber schon bald Ruths Anteilnahme zur Teilnahme an eigenen Sofa-Sitzungen umleiten. Das Ergebnis ist eine prompte Schwangerschaft, aus der ein Sohn hervorgeht, den Ruth Kraft gegenüber allerdings sechs Jahre lang verschweigen wird. Erst Jahre später kann Kraft Ruth bei der Wiedervereinigungsfeier auf der Berliner Mauer von einer weiteren Schwangerschaft überzeugen. Die Folge ist ein mittellanges Familienleben und eine langjährige Entfremdung von seinem Freund Ivan, der selbst auf die Nähe zu Ruth gehofft hatte.

              Bevor Kraft Ivan in Kalifornien wiederbegegnet, wird er Frauen verschiedenen Geschmacks kosten. Der mütterlichen Ruth mit der großvolumigen Oberweite wird die bubenhafte, gefühlsbeschränkte Biologin Johanna folgen, deren Nähe zu Hefen und anderen Forschungsobjekten ausgeprägter ist als zu Kraft. Am Ende wird die zweite, aber ebenso vergebliche Ehe mit Heike stehen, die als zielorientierte Unternehmensberaterin schon Universitätsgremien aufmischte. Kraft hofft auf Erlösung aus dieser Familie mit Zwillingskindern, die ihm nach 14 Jahren genauso fremd geblieben sind wie ihre Mutter. Schon für die Versorgung beider Familien würde das Millionenpreisgeld Erlösung bedeuten. Und so fliegt er also nach Amerika und wringt sein Hirn aus.

              Angekommen quält quält er sich tagelang, erstaunt über den Umstand, dass das routinierte Jonglieren mit politisch-soziologisch-philosophisch-literarischen Versatzstücken zu keiner Einheit führen will. Auch die Begegnung mit dem Sponsor Erkner bringt ihn nur vorübergehend auf die Spur. Erkners Wettbewerbsbegründung entlarvt er zwar als intellektuellen Unsinn, macht sie sich aber dennoch zu eigen und vertieft sie weiter. So ergäbe sich in der chain-of-being der Zusammenhalt der menschlichen Kettenglieder in einer Gesellschaft schon deshalb, weil Kettenglieder sich gegenseitig stabilisieren würden – still ignorierend, dass eine Kette nur so stabil ist wie ihr schwächstes Glied. Mit schlichter Formelarithmetik Technik = Kapitalismus + Glauben wird eine neue Dimension an Präzision suggeriert und gleich noch religiöse Grundfesten mit eingearbeitet. Wenn das Theodizee-Prinzip bedeutet, dass trotz Unrecht in der Welt göttliche Gerechtigkeit herrsche, dann müsse auch der Oikodizee-Ansatz gelten, dass der Kapitalismus voll unumstößlicher Gerechtigkeit sei. Am Ende würde alles Seiende auf das Primat des Ingenieurs zulaufen, wenn der Mensch vollkommen in der Technik aufgeht – also ein Zustand von Singularität, also ein bisschen Homo Faber von damals und viel Cyber von morgen. Sodann wird die kalifornische Sonne nicht mehr untergehen. Erkners Halbgargekochtes wird auch sein Menü, obwohl es wie Leberwurst-Milch-Shake schmeckt. Und genau das wird ihn still vergiften.

              Wiederholt werden seine inneren Gedankenschlachten beim Aufbau des geforderten 18-Minuten-Vortrags von Zweifeln und schließlich Todessehnsüchten durchsetzt. Er leiht sich ein Ruderboot, ignoriert Gezeiten-Warnungen und wird fast Opfer der Naturgewalten. Den Sicherheitsverboten vor einem todbringenden Täter auf dem berühmten Universitätscampus widersetzt er sich mit der Vision, so vielleicht in einem renommierten Ambiente aus dem Leben scheiden zu können. Zur Erlösung von den Qualen des Scheiterns – vielleicht auch von der Absurdität der Aufgabe an sich – tagträumt er ein vernichtendes Erdbebens herbei, das aber leider auf sich warten lässt. Am Ende hängt der Autor ähnlich der bizarr-grotesken Situationskomik wie in „Frühling der Barbaren“ seinen Protagonisten in der ihm eigenen Nüchternheit an den Glockenturm. Kraft wird versuchen, seinen Suizid im Lifestream weltweit zu übertragen wie es für seinen Wettbewerbsvortrag geplant war. Leider guckt kaum einer.

              So verflüchtigt sich der Versuch eines ganz großen Wurfs, einer Weltdeutung, einer Wertevision unbeachtet im Äther. Zuviel Affekthascherei, als dass ein denkender Geist das aushalten könnte. Gelesen werden kann dies als Kritik an der Vordergründigkeit, an Verpackungen, denen der sinngebende Inhalt fehlt, an einer schwafelnden Sprachlosigkeit unserer Zeit, aber auch als Wissenschaftskritik bezogen auf Fakultäten, die eine Worthülsenkultur pflegen.

              Lüscher überzeugt erneut mit genialen Passagen etwa bei der Beschreibung der Politikerpersönlichkeiten während des konstruktiven Misstrauensvotums im Bundestag (S. 77ff.), der selbst gezimmerten Hodenprothese von Prof. Ackerknecht (S. 170) oder dem Nervenkrieg mit dem eigenen Nachwuchs (S. 30ff., 218ff.). Was jedoch nicht gefällt, ist, dass Lüscher nicht nur Kraft erfindet und entsprechend im Sprachduktus inszeniert, sondern selbst zu Kraft wird. So leidet das Werk erheblich unter mühsam konstruierten Satzverschachtelungen, deren Länge auch gerne einmal einen ganzen Absatz ausmachen darf. Es bleibt der Eindruck, dass Lüscher auch Lüscher zelebrieren möchte. Das Ergebnis trübt den Lesegenuss erheblich, so dass man gelegentlich kraftlos das Buch zuklappt. Dennoch Note: 3 (ur)<<

 

 

>>Der Tübinger Rhetorikprofessor Richard Kraft möchte in Stanford bei einem wissenschaftlichen Wettbewerb das gewaltige Preisgeld von einer Million Dollar  gewinnen. Dafür muss er die Leibniz’sche Theodizee-Frage in einem 18-minütigen Vortrag beantworten, die  amerikanisch optimistisch so lautet: „Theodicy and Technodicy: Optimism for a Young Millenium. Why whatever is, is right and why we still can improve it?“ Ausgelobt hat die Summe der „Amazing Future Fund“. Nomen est Omen.
Mit dem Geld will sich Kraft familiär freikaufen: „ … ich werde sie zuscheißen mit meinem Geld, alle drei, Heike und die Mädchen“ (Seite 16). Soweit wird es nicht kommen.

Jonas Lüscher, ist wie sein Protagonist Kraft ein „Vielversprechender“ ja vielleicht sogar der Vielversprechendste unter den vielversprechenden Literaten im deutschsprachigen Raum. Soviel (zuviel?) Belesenheit, soviel Wissen, von der Nukleinsäure Friedrich Mieschers über Soylent zum Periscope, Early Adapter und der Dissertation von Frau Hamm-Brücher findet man selten in einem Roman. Vielleicht sollten die ganzen Zettelkästen, die sich bei der Stoffsammlung für seine geplante Dissertation gebildet hatten, erlöst werden.
Da gibt es Seiten, da müßte -zumindest-zumindest-ich- jeden zweiten Begriff googeln, um sicher zu sein, was Sache ist. Das war mir zuviel. Allerdings wird dank der außergewöhnlichen Formulierungskunst des Autors das Buch nie langweilig.

Er verknüpft nämlich geschickt Zeitgeschichtliches (Reagan-Besuch 1987, Misstrauensvotum im Deutschen Bundestag 1982, Mauerfall usw.) mit dem Leben Krafts und seines Freundes István/Ivan , die mit ihrem neoliberalen Denken letztlich scheitern. Vermutlich haben sie ihre neoliberalsten Ideen als Studenten nur so missionarisch vertreten um aufzufallen. Die Karikatur der digitalen „Elite“ von Silicon Valley ist großartig gelungen. Schwimmende Inseln im Pazifik wollen sie bauen, exterritorial. Subtil und luzide werden professorale Phrasendrescherei und Namedroping bloßgestellt. Wissenschaftssatiren scheinen derzeit en vogue zu sein. Stoff für Diskussionen liefert die apokalyptische Weltschau, die der Franzose Bertrand Ducavalier gegen Ende des Buches auf anderthalb Seiten ausbreitet.

„Jetzt, jetzt weiß Kraft, was er zu tun hat“, lesen wir auf der drittletzten Seite. Ob es Jonas Lüscher auch weiß? Vielleicht fragt ihn jemand danach, am Sonntag, den 28.Mai 2017 um 15 Uhr im Museum (Tübingen). Kein Vorverkauf.  Note: 2+ (ax)<<