Aufbau Verlag – 158 Seiten
>>Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei sehr unterschiedliche Paare, deren Schicksalswege sich an einem tragischen Punkt flüchtig kreuzen. Atiq ist würdelose Gefängniswärter, von zwei Jahrzehnten afghanischem Krieg verhärmt. Ebenso lange verheiratet mit Mussarat, die inzwischen wegen einer schweren Bluterkrankung dem Tode nahe ist. Die starken Schmerzen und das sich steigernde Leid widern Atiq an. Immer öfter flüchtet er sich in sein Gefängnis oder zu den wenigen Freunden. Einer diesen alten Haudegen drängt ihn, seine todkranke Frau fortzujagen. Ihr schmachvoller Anblick würde die Würde eines Ehemannes verletzen. Atiq zögert. Mussarat war es doch, die ihm zu Beginn ihrer Liebe in einem Kugelhagel das Leben rettete.
An einem anderen Ort Kabuls leben Mohsen und seine wunderschöne Gattin Zunaira. Beide sind Intellektuelle. Er wollte Diplomat, sie Anwältin werden. Doch die Zerstörungen des Krieges und die nachfolgende Taliban Herrschaft haben ihnen nicht nur Hab und Gut, sondern auch Freunde und jegliche berufliche Perspektive genommen. Das bis dahin noch gefühlvolle Miteinander der beiden nimmt in dem Moment schwersten Schaden, in dem Mohsen wie im Wahn und von einer Massenhysterie ergriffen an der Steinigung einer Frau teilnimmt. Zunaira kann ihr Entsetzen drüber nicht verwinden. Jetzt beteiligt sich sogar der letzte ihr verbliebende Mensch am grausamsten Akt der Unmenschlichkeit. Schon immer war ihr die Unterdrückung der Frau durch das religiös-fanatische Taliban Regime unerträglich. Eingekerkert unter dem Totalschleier Tschadri wird ihr wie allen anderen Frauen das Gesicht geraubt, die Ehre atomisiert. Lange Zeit bleiben die Eheleute entzweit.
Erst nach zähem Bemühen gelingt es Mohsen, seine Frau wenigsten zu einem gemeinsamen Spaziergang zu bewegen. Diese Schritte sind es jedoch, die sein Ende einleiten. Taliban zwingen Mohsen einer Hetzpredigt beizuwohnen, während Zumaira in der Gluthitze vor der Moschee stundenlang ausharren muss. Zuhause folgt unter den Eheleuten der Streit. Bei den Handgreiflichkeiten stürzt Mohsen so unglücklich, dass er zu Tode kommt. Zumaira wird in der Folge sofort zum Tode verurteilt.
Als Atiq ihr im Gefängnis begegnet, wird er augenblicklich von ihrer unbeschreiblichen Schönheit in Bann geschlagen. Überwältigt von ihrer Ausstrahlung, vergisst er sich und bietet an, sie freizulassen. Doch sie lehnt ab. Im Gespräch mit seiner Frau bekennt Atiq sich zu seinen überraschenden Empfindungen. Von dem Umstand, dass ihr sonst so gefühlloser Ehemann doch noch Liebe und Ergriffenheit empfinden kann, ist Mussarat zutiefst berührt. In Anbetracht ihres nahenden Todes bietet sie an, an Stelle der Verurteilten aus dem Leben zu scheiden. Nur so könnte Atiq mit der Angebeteten ein neues, ihm zustehendes Leben beginnen.
In der Hoffnung auf ein gemeinsames Leben täuscht Atiq Zumaira einen angeblichen Freispruch vor. Als sie das Gefängnis verlässt, schlüpft Mussarat unter den Tschari. Unkenntlich gemacht durch den Schleier wird sie wenig später bei einem großen Volksspektakel laut Urteil erschossen. Durch einen unglücklichen Zufall wird die verhüllte Zumaira gezwungen, der Hinrichtung beizuwohnen. Als Atiq vergeblich versucht, in den Menschenmassen Zumaira zu finden, gerät er in völlige Verzweiflung und entblößt verschleierte Frauen. Die aufgebrachten Massen sind entsetzt und lynchen ihn prompt.
Ein aufwühlender Roman, der die schicksalhafte Verrohung der Seelen zeigt. Die Menschen Kabuls sind haltlos. Nekrotisch geworden von den Schrecken der vorangegangenen Besetzung durch die Sowjets, der erniedrigenden Rollenverteilung des Islam und dem grausamen Fanatismus der Taliban. Schon dem Verfall anheim gegeben, laben sie sich an den Qualen anderer. Ja, fühlen sich durch Glaubenssätze, die ihnen eingehämmert wurden, dazu berufen. Ausgenommen davon sind Die Schwalben von Kabul. Frauen, die das Reine bewahren, deren standhafte Ethik auch System-, Religions- oder Männergewalt letztlich nicht zu Fall bringen kann. Schwalben, die schon immer und jedes Jahr wieder kamen. Schwalben, die den Sommer ankündigen und damit die lichte Zukunft. Frauen sind die Hoffnung.
Der im Jahr 2000 nach Frankreich emigrierte Autor hatte zuvor aus Furcht vor Verfolgung unter dem Namen seiner Frau (Yasmina Khadra) Bücher publiziert. Aus Respekt vor den Leistungen seiner Frau, blieb er auch im Exil bei dem Autorenpseudonym, drängt aber darauf, dass sein wahrer Name ebenso erwähnt wird. Den Europäern wirft er willkürliche und unangemessene Bewertung fremder Kulturen und ihrer Exzesse vor. Mit dem vorliegenden Roman hofft er die westliche Erkenntnisfähigkeit zu steigern. Entsprechend sei dies Werk vor allem für ein französisches Publikum geschrieben. Umso überraschender scheint jedoch die befremdliche Inszenierung und Tongebung des Romans. Neben wenigen sprachlichen Höhepunkten, sind viele Dialoge auffallend gestelzt und peinlich unnatürlich. Manche Passagen wirken befremdlich kitschig. Kulturdissonanzen. Note : 3/4 ( ur) <<