Piper Zürich (1942/1998) – 224 Seiten
<< Márai widmet sich in diesem Werk Fragen wahrer Freundschaft; wie seelische und gesellschaftliche Antipoden Grenzen negieren und sie am Ende doch nicht niederreißen können. Wie Liebe zwischen den Geschlechtern und tiefste Verbundenheit zwischen Männern, engste Bünde hervorbringen und lebenstiefste Gräben aufreißen. Und dass Prinzipientreue und Verletzungen ewig wirksam bleiben. So beschrieben zwischen zwei grundverschiedenen Männern und einer Ehefrau in der K.u.K Monarchie Österreich-Ungarns, der Heimatregion des Autors.
In seinem 75. Lebensjahr wartet General Hendrik immer noch asketisch vereinsamt in seinem Karpaten-Schloss auf den hassgeliebten Freund Konrad, der sich vor über 40 Jahren in die Tropen absetzte. Beide waren schon als Kinder wie unzertrennliche Zwillinge; besuchten gemeinsam die Kadettenschule; absolvierten den Wiener Militärdienst um die Jahrhundertwende und schienen trotz ihrer Gegengesetzlichkeit aneinander geschweißt.
Hendrik: stark, lebenszugewandt, unternehmungslustig, prinzipientreu aber emotionslos, reich und aus wohlhabendem Geschlecht. Konrad dagegen aus armem Elternhaus, introvertiert, musikalisch-verträumt, aber ebenso prinzipientreu. Trotz Freundschaft gewährten sie sich übereinstimmend nicht den gesellschaftlichen und finanziellen Ausgleich untereinander. Ebenso blieb für beide vom jeweils anderen ein bedrohliches, unverstandenes und beneidetes Wesenselement. Verborgen und unerreichbar.
Vermutlich war es eine stille Entfremdung von Hendrik, die Konrad zusammen mit dessen Frau Krisztina veranlasste, einen tödlichen Jagdunfall zu konzipieren, dem Hendrik jedoch nicht zum Opfer fiel. Konrad hatte im dem Moment, als Hendrik die Tötungsabsicht erkannte, den Mut zum finalen Schuss verlassen. Der entlarvte Attentäter floh in die Tropen und blieb 41 Jahre verschollen. Hendrik, der eine Teilnahme seiner Frau vermutete, verließ auch sie augenblicklich. Fortan versank er in einer inneren und äußeren Immigration. Seitdem verharrte er paralysiert in diesem Leerraum – gestützt nur von seiner inzwischen 91-jährigen Ersatzmutter, der früheren Amme, die ihm eine verständnisvolle, lautlose und einfühlsame Dienerin blieb.
In der Gewissheit, das Leben ohne Aussprache nicht beenden zu können, treffen die Kontrahenten noch einmal aufeinander. Konrad erhofft vermutlich durch eine Beichte seelische Befreiung. Hendrik dagegen will ihm zuvorkommen und die Wahrheit nehmen, um den Schmerz zu sühnen. Da Henrik in einem vorauseilenden Monolog die Ereignisse mit detektivischem Spürsinn faktengenau abhandelt, bleibt Konrad nur Schweigen. Dadurch wird ihm tatsächlich die erhoffte Absolution vorenthalten. Die Schuldzuweisung wirkt umfassend. Obwohl Mordversuch und Ehebruch vordergründig die Hauptvorwürfe darstellen, entpuppt sich der Verrat an ihrer Männerfreundschaft als die bedeutendste Verletzung.
Trotz des im Grunde sehr schlichten, geradlinigen Handlungsablaufs, gelingt dem Autor eine anhaltende Elektrisierung. Dies erscheint umso bemerkenswerter, da die monologischen Reflexionen des Hauptprotagonisten in der Anlage monoton ausgelegt sind. Dennoch bleibt der Leser im Geflecht der Beweisführung gebannt.
Letztlich steuert der Roman auf zwei Fragen zu. Hat die Ehegattin den Komplott mit geplant und haben die beiden Freunde vielleicht ihre Lebenskraft nur aus dem Niedergang dieser Frau ziehen können? Nach der Trennung verendete sie vereinsamt an Auszerrung. Beide Männer durften sich sicher sein, dass der Rivale von ihr nicht mehr bevorzugt werden würde. Die erste Frage wird im Werk vorab mit ja beantwortet. Die zweite Frage bleibt unbeantwortet. Da der Plot als Ganzes in diesen Fragen seinen Kulminationspunkt erreichen soll, ist am Ende Leseenttäuschung vorprogrammiert, denn der Spannungsbogen wird letztlich nicht vollendet. Note: 2/3 (ur)>>